Rogate

(5) Dann sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Stellt euch vor, einer von euch geht mitten in der Nacht zu seinem Freund und bittet ihn: 'Lieber Freund, leih mir doch drei Brote! (6) Ich habe gerade Besuch von auswärts bekommen und kann ihm nichts anbieten.'

(7) Würde da der Freund im Haus wohl rufen: 'Lass mich in Ruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder liegen bei mir im Bett. Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben'? (8) Ich sage euch, wenn er auch nicht gerade aus Freundschaft aufsteht und es ihm gibt, so wird er es doch wegen der Unverschämtheit jenes Menschen tun und ihm alles geben, was er braucht. (9) Deshalb sage ich euch: Bittet und ihr werdet bekommen! Sucht und ihr werdet finden! Klopft an und es wird euch geöffnet! 10 Denn wer bittet, der bekommt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. 11 Ist unter euch ein Vater, der seinem Kind eine Schlange geben würde, wenn es um einen Fisch bittet? Lk 11,5-11

Liebe Gemeinde, heute ist der 5. Sonntag nach Ostern und dieser Sonntag trägt im kirchlichen Kalender den Namen Rogate. Heute geht es also ums Gebet. Zu diesem Thema ist der angegebene Predigtext für heute das Gleichnis vom bittenden Freund. Die Vorgeschichte des Gleichnisses ist, dass die Jünger sehen, wie Jesus betet. Und dann hat einer der Jünger Jesus gebeten, dass er die Jünger beten lehrt. Jesus hat regelmäßig gebetet. Im Allgemeinen hat Jesus so gebetet, dass er sich zurückgezogen hat, damit er störungsfrei mit seinem Vater sprechen kann. Manchmal hat er die ganze Nacht mit Gebet verbracht, so wichtig war ihm das Gebet. 1Lk 6,12

Jesus nimmt diese Bitte ernst und er lehrt die Jünger beten. Er bringt den Jüngern das Vaterunser bei. Und direkt nach diesem Gebet erzählt er das Gleichnis vom bittenden Freund. Dieses Gleichnis ist dem Gleichnis von der bittenden Witwe sehr ähnlich. In beiden Gleichnissen geht es nämlich um das Bitten. In beiden Geschichten geht es um ein intensives Gebet. Und in beiden Geschichten kommen die bittenden Leute mit ihrem Problem zu so einer Person, die ihnen in der Not tatsächlich helfen kann. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den 2 Gleichnissen. Im Gleichnis von der bittenden Witwe geht es um einen gottlosen Richter, aber in diesem Gleichnis geht es um einen Freund. Im Gleichnis vom gottlosen Richter liegt die Betonung der Geschichte darauf, dass man immer und ständig beten muss und in diesem Gleichnis hier geht es eher darum, dass man intensiv bitten, suchen und anklopfen muss. Jesus hat dieses Gleichnis als Ermutigung erzählt, damit wir nicht zweifelnd beten, wenn wir vor unseren himmlischen Vater kommen, um etwas von ihm zu erbitten. Jesus möchte mit diesem Gleichnis auch betonen, dass Gott unser Gebet erhört. Wir dürfen zu jeder Zeit zu ihm kommen. Der Zeitpunkt ist bei Gott nie ungünstig. Gott erhört unsere Gebete auch in unmöglichen Situationen.

Das Gleichnis geht mit einem Aufruf los: Stellt euch vor! Man soll sich also die ganze Situation so vorstellen, dass man selber in so eine Not gerät wie der Mann in diesem Fall, dass man plötzlich Brot braucht. Die Hörer des Gleichnisses sollen sich in diese schwierige Situation einfühlen, dass man plötzlich nicht genug Essen zu Hause hat und den angekommenen Gast nicht bewirten kann. Jesus bezieht die Hörerschaft mit darin ein, über das Wort Gottes nachzudenken. Und am Ende der Geschichte muss jeder einzelne selber entscheiden, ob er es sich vorstellen kann, dass sein Freund ihn im Stich lässt. Das ist auch das Ziel eines jeden Gottesdienstes, dass wir selber aktiv über das Wort Gottes nachdenken, dass wir danach suchen, was Gott uns persönlich durch sein Wort sagen will und dass wir nicht passiv darauf warten, wann der Pastor am Ende der Predigt Amen sagt, weil wir dann endlich nach Hause gehen können. Lasst uns immer mit offenen Ohren und aktiv das Wort Gottes hören. Auch wenn wir zu Hause Bibel lesen, sollten wir uns auch immer wieder diese Fragen stellen: Herr, was möchtest du mir mit dieser Geschichte sagen? Was möchtest du mir zeigen, Herr? Von welchem Aspekt aus muss ich, Herr, dein Wort sehen? Ich bin überzeugt, wenn wir Gott solche Fragen stellen, dann wird unser Bibelstudium sehr fruchtbar sein.

Wir haben also über einen Menschen gelesen, der spät in der Nacht einen Gast bekommt. Zu Hause gibt es kein Brot mehr, mit dem er diesen Besucher bewirten könnte. In der damaligen Zeit haben die jüdischen Familien das Brot selber gebacken und zwar meistens nur so viel, wie sie an dem Tag tatsächlich gebraucht und gegessen haben.

Bäckereien gab es noch nicht und die Geschäfte hatten nachts sowieso zu. Der Gastgeber konnte seinem Gast also kein Brot mehr geben. Er hatte aber einen guten Freund, über den er wusste, dass der ihm eventuell helfen kann, da er ganz sicher noch Brot zu Hause hat. Er hatte also keine andere Möglichkeit, er musste ihn in der Nacht besuchen und 3 Brote von ihm erbitten. Warum brauchte er 3 Brote? Das jüdische Brot war nicht so groß und es hatte eine völlig andere Form wie unser Brot heutzutage hier in Deutschland. Dieses Brot war klein, dünn und flach. Beide Seiten des Brotes wurden gebacken. Man konnte dieses Brot nicht schneiden, sondern nur brechen. 3 solche Brote waren die tägliche Portion eines Erwachsenen.

Der in Not gekommene Mensch sucht seinen Freund auf. Der Begriff Freund ist in der Bibel ein schwächerer Ausdruck als Bruder oder Schwester, aber auch deutlich mehr als der Begriff Nächste. Die heilige Schrift spricht an einigen Stellen auch über die Beziehung zwischen Mensch und Gott so, dass es eine freundschaftliche Beziehung ist. Im Alten Testament kommt das aber nur selten vor. So spricht die Bibel aber z.B. über Abraham, der Gott geglaubt hat, und „das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden und er wurde »ein Freund Gottes« genannt.“ 2Jak. 2,23; Ézs. 41,8; 2Krón. 20,7; 2 Mose 33,11 Im neuen Testament nennt Christus seine Jünger aber seine Freunde, die er so lieb hat, dass er sein Leben für sie lässt.3Joh 15,13 Es ist also ein großes Privileg, dass wir zu Gott und zu Gottes Sohn so kommen dürfen wie zu unserem Freund. Jesus vergleicht die Verbindung zwischen uns und Gott in diesem Gleichnis mit einer freundschaftlichen Beziehung und am Ende des Gleichnisses ermutigt er uns sogar, dass wir so zu Gott kommen dürfen wie ein Kind zu seinem Vater. Und er wird uns reichlich beschenken mit guten Gaben, wenn wir uns an ihn wenden.

Die Familie, bei der der in Not gekommene Freund angeklopft hat, hatte sich schon zur Ruhe begeben. Die Häuser waren klein und dunkel, da es meistens kein Fenster gab. Man muss sich hier also so ein einfaches kleines Haus vorstellen, das nur einen Raum hatte. Die Mitglieder der Familie haben nicht im Bett geschlafen, sondern auf einem Mattenlager. Die Kinder und die Eltern haben alle in demselben Raum geschlafen. Und vor dem Schlafen hat der Hausvater die Tür von innen mit einem Brett verriegelt. Das Öffnen der Tür war also auf jeden Fall geräuschvoll. So können wir diese Geschichte besser verstehen. Als der um Brot bittende Freund an die Tür klopft und der Hausvater plötzlich aus dem Schlaf erwacht, ist seine erste Reaktion: „Lass mich in Ruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder liegen bei mir im Bett.“ Er möchte nicht seine ganze Familie aufwecken. Wir wissen aber aus der Geschichte, dass er trotzdem aufgestanden ist und seinem Freund in der Not ausgeholfen hat.

Dieses Gleichnis Jesu kann gar nicht anders enden als so, dass dieser Mensch geholfen bekommt, selbst wenn es nicht sein Freund gewesen wäre, den er um Brot gebeten hätte. Und zwar deshalb, weil die Gastfreundschaft im nahen Osten eine heilige Sache war. Man musste den Reisenden Quartier, Verpflegung und Schutz anbieten. Dieser Mensch hätte seinen Freund also sowieso nicht im Stich lassen dürfen. Wenn er ihm das Brot schon nicht der Freundschaft wegen gibt, oder aus der Pflicht heraus, einen Gast bewirten zu müssen, dann gibt er es wegen seiner beharrlichen und draufgängerischen Bitte. Es war auch für die Bettler im nahen Osten sehr charakteristisch, dass sie so lange gebettelt haben, bis sie am Ende trotzdem etwas bekommen haben, auch wenn einer am Anfang vielleicht nichts geben wollte. Es ist also unmöglich, dass dieses bittende Klopfen endet, ohne erhört zu werden.

Genauso ist es unmöglich und wäre es absurd über Gott so etwas zu vermuten, dass er uns in einer bedrängten Lage keine Hilfe schenken würde, wenn wir die Hilfe von ihm erwarten. Es gibt nämlich solche Situationen, in denen uns alle unsere menschlichen Möglichkeiten ausgehen und keine menschliche Kraft oder Weisheit uns helfen kann, nur allein unser himmlischer Vater. Aber wir haben trotz allem noch immer diese feste Burg, so wie es Ps 18,3 sagt: der HERR ist „mein Fels, meine Burg, mein Erretter; mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Berg meines Heiles und mein Schutz!“

Die Tür des Himmels steht uns immer offen. Wir können durch das Gebet zu unserem himmlischen Vater kommen. Wir brauchen alle diese Ermutigung, da der Satan uns sowieso versucht, dass wir nicht beten und dass wir nicht die Nähe Gottes suchen. Er flüstert uns in die Ohren, dass das Gebet vergeblich ist, und dass wir nicht beten sollen. Er sagt uns: Gott erhört dich sowieso nicht. Oder er sagt uns: Wie oft hast du gebetet und es ist nichts passiert. Es ist eine sinnlose Zeitverschwendung. Oder wenn wir mit dem Gebet schon angefangen haben, sagt er uns, dass wir damit aufhören sollen. Rogate! Rogate heißt auf Deutsch betet. Es kann sein, dass es ein bisschen so klingt, als wenn es ein Befehl wäre. Die Wirklichkeit ist aber, dass das viel mehr ist als ein Aufruf. Das ist ein unvergleichliches Angebot Gottes, das Jesus hier uns allen anbietet. Jesus verspricht uns hier die Gebetserhörung und sein Wort ist für uns eine Garantie, dass Gott auf unsere Gebete antwortet: „Denn wer bittet, der bekommt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.“ Lasst uns also Gott suchen und das nicht nur bei den großen Problemen, sondern wir dürfen auch mit unseren kleinen alltäglichen Dingen zu ihm kommen und vor ihn bringen, was uns gerade jetzt bewegt. Ich wünsche jedem einzelnen Hörer des Wortes viele Gebetserhörungen und viele gemeinsame Erlebnisse mit Jesus Christus, mit dem wir uns im Gebet treffen können.

Amen

Von: Pastor Dániel Papp

 

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