Die Verträge sind gemacht
Und es wurde viel gelacht
Und was Süßes zum Dessert
Freiheit, Freiheit
Die Kappelle rum–ta–ta
Und der Papst war auch schon da
Und mein Nachbar vorneweg
Freiheit, Freiheit
Ist die Einzige, die fehlt
Freiheit, Freiheit
Ist die Einzige, die fehlt
Der Mensch ist leider nicht naiv
Der Mensch ist leider primitiv
Freiheit, Freiheit
Wurde wieder abbestellt
Alle die von Freiheit träumen
Sollten's Feiern nicht versäumen
Sollen tanzen auch auf Gräbern
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt1
[^freiheit]: Einordnung; Quelle
Dieser Text von Claudio Bucher, Michael Kurth und Marius Müller-Westernhagen, war in den 80gern eine Hymne in der DDR. Noch war die “Wende” nicht sichtbar, auch dachte keiner im ernst, dass sich an den politischen Zuständen im “real-existierenden-Sozialismus”, je etwas ändern würde. Naja, wir warteten alle, wie sich herausstellten würde vergebens, auf den lange versprochenen Sieg des Sozialismus über den unterlegenen Kapitalismus. Es war damals wie heute, wer die Wahrheit nicht erkennen will, der sieht sie auch nicht.
Aber ohne das der Text allzu konkret würde, war er für viele dennoch ein Hauch dessen, was sie sich kaum zu erträumen wagten. Und doch, waren es eben Traumgebilde, die nachher auch reihenweise enttäuscht wurden. Und vielleicht hat Sascha Kowalczuk damit recht, dass diese unterschiedliche Sicht, dieses unterschiedliche Verständnis von Freiheit dazu geführt hat, dass die einen überglücklich und die anderen zu Tode betrübt sind, wenn sie an die Wende und die damit einhergehende “Freiheit” denken.
Und das bringt uns zu der sehr interessanten und aktuellen Frage: was denn Freiheit ist. Wie wir sie verstehen können ohne sie aufzugeben. Wie sie sogar zu dem werden könnte, was wir uns für ein glückliches Leben wünschen. Und ist Freiheit für ein glückliches Leben überhaupt wichtig?
Ich möchte aber gleich zu Beginn einschränkend anmerken, dass eine grundsätzliche und befriedigende Darlegung im Rahmen meiner Predigt nicht möglich ist. Den Anspruch habe ich auch gar nicht. Mir geht es vor allem darum Gedankenanstöße zu geben und vielleicht den Blick zu schärfen.
Würde ich jetzt durch die Reihen gehen und jeden von euch nach dem fragen, was Freiheit für ihn ausmacht, dann kämen wir zu sehr unterschiedlichen Deutungen. Und eigentlich müssten wir doch davon ausgehen, dass Freiheit für jeden irgendwie das Gleiche sein müsse. Doch ist dieser Begriff äußerst subjektiv geprägt, was uns nur dann auffällt, wenn wir auch danach fragen würden. Und eigentlich können wir uns das sehr gut vorstellen, denn wenn uns konkret jemand fragt sind Dinge wie Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit, die Freiheit dass wir uns frei zu unserem Gottesdienst versammeln dürfen vorherrschend. Für Menschen, die gar nicht weit von uns leben, ist das gar keine Frage, denn sie kennen es nicht anders, hier sind vielleicht Begriffe wie Selbstverwirklichung, die Freiheit über das eigene Leben zu entscheiden, auch ob man sich gesellschaftlich engagieren möchte oder nicht zentral.
Rienecker schreibt dazu:
Was Freiheit ist wird am Gegensatz besonders deutlich: der Knecht kann nicht über sich selbst verfügen, weder über seine Zeit, noch über sein Tun, ebensowenig der Gefangene oder gar der Sklave: es wird über sie verfügt. Freiheit heißt also: nicht Sklave, nicht unterworfen, nicht gebunden sein.
So ist also Freiheit die Fähigkeit über sich selbst, seine Zeit und sein Tun zu bestimmen. Daraus folgt dann auch so Rienecker:
Freiheit ist auch eine Eigenschaft Gottes, denn niemand kann über Gott verfügen. Er ist der, der völlig unabhängig seine Entscheidungen getroffen hat und trifft. In seinem schöpferischen und erlösenden Handeln ist Gott ungebunden.
Ilko-Sascha Kowalczuk schreibt zu dieser unterschiedlichen Sicht auf Freiheit in seinem Buch Freiheitsschock eine interessante Anekdote:
Mitte der 1980er Jahre durfte ein ostdeutscher Wissenschaftler mehrere Wochen in die USA reisen. Er interviewte dort eine Reihe weltberühmter Stars und kam viel in den Staaten herum. Natürlich hielt er sich auch länger in New York City auf. Dort kam er mit einem Obdachlosen ins Gespräch. «Die meisten betteln nicht mal mehr.» Als der Mann nun mitbekam, dass sein Gesprächspartner aus East Germany, dem Land hinter Mauer und Stacheldraht kam, bedauerte er, «der nun wirklich nichts mehr hat von seinem Dasein, mich als den Bedauernswerten».
Hat also Freiheit nichts mit Wohlstand zu tun?
Inwiefern ist dann Freiheit messbar?
Heißt Freiheit auch in Armut leben zu können?
Welche Kriterien würden unsere Freiheit am besten beschreiben?
Im der Präambel des Grundgesetzt Deutschlands steht:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern … haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk3.
In den folgenden Artikel wird aufgeführt:
Die Freiheit der Person ist unverletzlich. (Art 2, 2)
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (Art 4)
die Pressefreiheit (Art 5, 1)
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. (Art 5, 3)
Versammlungsfreiheit (Art. 8, 1)
usw. Das ist durchaus messbar und das wird auch gemessen, denn verschiedene Organisationen veröffentlichen regelmäßig dazu Berichte und Statistiken. Und daher wissen wir auch, dass die Freiheit in Deutschland unter zunehmendem Druck steht.
Im aktuellen politischen Diskurs spielen diese Fragen daher eine sehr gewichtige Rolle, auch wenn es so direkt niemand ausspricht. Dennoch dreht sich alles um diese eine zentrale Frage:
Wieviel Freiheit ertragen wir und muten wir anderen zu?
Die Zuweisungen, dass eine bestimmte Partei als Verbotspartei betitelt wird, zeigt auch wie kontrovers wir Freiheit diskutieren. Und letztlich kommen wir immer an dem selben Punkt raus.
Die Freiheit des Einen endet an der Freiheit des Anderen.
Das bringt uns erstaunlich wenig voran, aber es zeigt ganz deutlich wie schwierig es ist, Freiheit zu definieren. Für mich selbst mag das noch gehen, dann ist das aber auch eher eine gefühlte Einschätzung, aber für eine Gesellschaft, vielleicht für die ganze Menschheit, scheint es unmöglich. Je größer der Kreis (wir beginnen bei 1), desto paradoxer wird es.
Ich rede von dem paradoxen Begriff des “freien Sklaven”, der frei ist und doch gefangen in der Unfähigkeit über sich selbst, seine Zeit und sein Handeln zu bestimmen.
In 2. Mose 16, 1ff lesen wir:
(GNB) Von Elim zogen die Israeliten weiter in die Wüste Sin, die zwischen Elim und dem Berg Sinai liegt. Sie kamen dorthin am 15. Tag im 2. Monat nach dem Aufbruch aus Ägypten. 2 Hier in der Wüste rottete sich die ganze Gemeinde Israel gegen Mose und Aaron zusammen. Sie murrten: 3 »Hätte der HERR uns doch getötet, als wir noch in Ägypten waren! Dort saßen wir vor vollen Fleischtöpfen und konnten uns an Brot satt essen. Aber ihr habt uns herausgeführt und in diese Wüste gebracht, damit die ganze Gemeinde verhungert!«
Die Israeliten waren auf der Flucht, das ist ja kein Klassenausflug. Sich über die neu gewonnene Freiheit zu freuen, war für sie, angesichts der knurrenden Mägen, unmöglich. Und das Versprechen von Mose zu abstrakt 2. Mose 3, 16+17:
Geh nun und rufe die Ältesten des Volkes Israel zusammen! Sag zu ihnen: 'Der HERR, der Gott eurer Vorfahren, ist mir erschienen, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er hat zu mir gesagt: Ich habe genau gesehen, was man euch in Ägypten antut. Darum bin ich entschlossen, euch aus diesem Land herauszuführen, in dem ihr so unterdrückt werdet. Ich bringe euch in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, ein Land, das von Milch und Honig überfließt.'
Wir schauen heute Verzüge auf diese Geschichte, auch deshalb weil wir ja den Ausgang schon kennen. Für die Israeliten damals war es aber nichts anderes als ein Wahlversprechen. Ah, da hat der junge Mose wohl Ambitionen und möchte zu den Priestern aufsteigen? Aber sie waren vor allem arm und wurden von den Ägyptern ausgebeutet und unterdrückt.
Anders geht es den 5% der Menschen, die in Deutschland unter der Armutsgrenze leben auch nicht. Diese also damit trösten zu wollen, dass sie zwar hungrig seien, aber doch in Freiheit leben könnten, wäre schlicht unverschämt, bloße Versprechen lindern die Not nicht. Und auch deshalb muss es in einer Gesellschaft wie der unseren, wenn sie denn die Freiheit ihrer Mitglieder fördern möchte, einen Ausgleich geben. Das ist auch der Grund dafür, warum das in unserem Grundgesetzt und den Landesverfassungen so festgehalten wurde. Es ist also nicht nur eine Laune oder Willkür, wenn die Schwachen und Bedürftigen in unserem Land, von den Starken und Wohlhabenden versorgt werden, sondern ein notwendiger Ausgleich, der nichts anderes als unser aller Freiheit sicherstellen soll. Eine Neiddiskussion wie wir sie aktuell erleben ist nicht nur nicht hilfreich, sie ist auch das Gegenteil des notwendigen Ausgleich, den wir brauchen. Notwendig, nicht: wenn wir mal was übrig haben, dann kümmern wir uns schon, um unser Gewissen zu beruhigen.
Auch in Moses Truppe waren welche dabei, die vielleicht nicht wirklich mit Mose in die Wüste ziehen wollten, die diesem Versprechen nicht trauten, aber auch diese hat Gott mit Manna versorgt, damit sie nicht nur frei sein konnten, sondern auch keinen Hunger leiden mussten. Dennoch wollten sie lieber in Gefangenschaft vor vollen Töpfen leben, als frei zu sein und für ihre Freiheit hungern zu müssen. Ging es diesen Israeliten so, wie den vielen DDR Bürgern nach der Wende, die unter einem Freiheitsschock litten, so wie es Ilko-Sascha Kowalczuk nennt, und lieber die DDR zurück gehabt hätten als all die Mühen, die Enttäuschungen, die sie erleben sollten, auch wenn sie nun frei wären?
Es ist paradox, aber real, dass bilden sich diese Menschen nicht etwa ein und sie sind auch nicht irgendwie schräg drauf, sie sind “nur” Opfer ihrer Vergangenheit, ihrer Zwänge und ihrer eigenen Begrenztheit. Auch wenn Heinz-Rudolf Kunze in der Mörderbalade behauptet:
War zu schwach, um gut zu sein.
Und fürs Böse viel zu klein.
Weder aufrecht noch gemein.
Frei sein heißt, ein Nichts zu sein.4
, so will die Freiheit erlernt, geübt und angenommen sein. Und sie fordert Opfer von jedem Einzelnen. Wir sind, was das angeht, irgendwie mit einer sehr krummen Nadel gestrickt, nicht nur dass wir uns einander nicht verstehen, mitunter versteht sich der Mensch selbst nicht. Doch alles was der Verstand erfassen kann, muss nicht im Herzen angekommen sein und so streitet sich Herz und Verstand, wie im Roman “Metropolis” von Thea von Harbou5.
[^moerderbalade]: H.R.K. - Mörderbalade
Diesen Widerstreit zwischen Herz und Verstand sehen wir jeden Tag, erinnert euch an die Behauptung, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit gebe, dass hat zuletzt Elon Musk, der Chef von Tesla und X (ehemals Twitter) über Deutschland gesagt, aber auch der Vizepräsident der USA J.D. Vance und selbst Donald Trump behaupten das vehement. Sie beziehen sich dabei auf verschiedene Bemühungen der EU, große Anbieter im Bereich Social Media dazu zu verpflichten, dass sie Nachrichten auf ihren Plattformen moderieren. In der EU strafrechtliche Texte sollen gelöscht und zur Anzeige gebracht werden. Lügen oder unwahre Behauptungen sollen kenntlich gemacht werden. Diese Bestrebungen sehen diese Herren als Einschränkung der Meinungsfreiheit. Und tatsächlich ist der Präsident so gut wie unantastbar, egal was er anstellt, ihn zu verurteilen wäre eine sehr sehr schwierige Sache8. Es sind hier zwei sehr unterschiedliche kulturelle Auffassungen, wie Menschen miteinander umgehen sollen und wo der Staat eingreifen soll bzw. nicht eingreifen soll, im Disput. Vergleichbar ist das noch am ehesten mit den Waffengesetzen, die ebenso, unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die Frage, die sich aber aufdrängt ist doch; leben wir in Europa unfreier als die Menschen in den USA, weil bei uns nicht alles und von jedem an den Kopf des anderen geworfen werden darf?
Wir werden sehen, denn die Antwort darauf finden wir tatsächlich in der Bibel!
Damit komme ich zum Kern meiner Predigt heute, denn wenn wir über Freiheit reden, so bleibt in der Regel einer immer außen vor und das ist Gott. Der Mensch ist meist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er das bzw. den Wichtigsten übersicht - GOTT.
Jesus zeigt durch sein Leben und seine Lehren, dass wahre Freiheit in der Beziehung zu Gott liegt. Er hat Menschen von den Lasten der religiösen Gesetze befreit, die sie nicht tragen konnten, und ihnen gezeigt, dass die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen das höchste Gebot ist (Matthäus 22,36-40).
(GNB) Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, stellte Jesus eine Falle. Er fragte ihn: 36 »Lehrer, welches ist das wichtigste Gebot des Gesetzes?« 37 Jesus antwortete: »'Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand!' 38 Dies ist das größte und wichtigste Gebot. 39 Aber gleich wichtig ist ein zweites:'Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!' 40 In diesen beiden Geboten ist alles zusammengefasst, was das Gesetz und die Propheten fordern.«
Das ist doch clever, oder?
Jesus betont nicht das Gesetz, die Gebote Gottes, oder erweitert sie, oder gewichtet sie neu. ER gibt ihnen keine neue Bedeutung oder interpretiert sie in einer bestimmten Art und Weise neu. Was ER tut ist so simple wie genial, ER fasst alle Gesetze zusammen, in einer Art und Weise, dass sie weder aufgehoben noch verändert werden, ER packt uns Menschen bei unserer schlimmsten Eigenart, unserer Selbstverliebtheit - wie könnte ich denn einen anderen hassen, ohne gegen das Gebot der Nächstenliebe zu verstoßen? Wie könnte ich mir Hinterhalte, Gemeinheiten, üble Nachrede, Übervorteilung, Benachteiligung, Diskriminierung, Verunglimpfung etc. etc. ausdenken, ohne gegen das Gebot der Nächstenliebe zu verstoßen? Also alles womit ein Mensch einem anderen Menschen schaden könnte, ist im diesem Gebot erfasst und lehnt es grundweg ab. Es gibt hier keine Grauzone oder Lücke, wer das Gebot den Nächsten so zu lieben wie sich selbst befolgen will, der kann nicht anders als sich für andere einzusetzen. Da helfen auch keine Spitzfindigkeiten wie die von J.D. Vance, der das Gebot der Nächstenliebe auf ganz freie Art neu zu interpretierte suchte, um die Ausweisung von Millionen Migranten in den USA zu rechtfertigen. Es geht hier um eine Abstufung von Nächstenliebe, die J.D. Vance vertritt:
«Christlicher Grundsatz: Zuerst liebst du deine Familie, dann deinen Nachbarn, dann deine Gemeinschaft, dann deine Mitbürger in deinem eigenen Land, und erst danach kannst du dich auf die restliche Welt konzentrieren und Prioritäten setzen.»9
Die brüderliche Korrektur kam prompt von Papst Franziskus persönlich10, in einer sehr respektvollen, aber bestimmten Art, wie ich finde. Die Quellen findet ihr wie immer in den Links zu dieser Predigt auf unserer Web-Seite.
Grob zusammengefasst schrieb Papst Franscikus:
Wir Christen wissen sehr gut, dass unsere eigene Identität als Personen und als Gemeinschaften nur durch die Bekräftigung der unendlichen Würde aller Menschen ihre Reife erreicht. Christliche Liebe ist keine konzentrische Erweiterung der Interessen, die sich nach und nach auf andere Personen und Gruppen erstreckt. Mit anderen Worten: Der Mensch ist nicht nur ein Individuum, relativ expansiv, mit einigen philanthropischen Gefühlen! Der Mensch ist ein Subjekt mit Würde, das durch die konstitutive Beziehung zu allen, insbesondere zu den Ärmsten, allmählich in seiner Identität und Berufung reifen kann. Die wahre “ordo amoris”, die gefördert werden muss, ist die, die wir entdecken, indem wir ständig über das Gleichnis vom “Barmherzigen Samariter” meditieren (vgl. Lk 10:25-37), das ist, indem man über die Liebe meditiert, die eine Bruderschaft aufbaut, die ausnahmslos allen offen steht.
Dieses Verständnis von Nächstenliebe könnte man als Einschränkung der Meinungsfreiheit verstehen, also auch als Einschränkung der Freiheit eines anderen und der Papst legt hier, bewußt oder unbewußt, dass kann ich nicht beurteilen, den Finger in die klaffende Wunde. Wie oben bereits gefragt, von “jeder jedem alles an den Kopf werfen” dürfen, rückt Franzikus diese Frage ins rechte Licht. Denn war es nicht zuvor Vance, der die Freiheit seiner Nächsten einschränkte, indem er ihnen eine Priorität aufzuzwingen suchte?
Wenn also Jesu Gebot dazu benutzt werden soll, um seinen Egoismus, seine Selbstverliebtheit rein zu waschen, so wird dies überdeutlich bloß gestellt, denn Jesus macht eben keine Unterschiede, für IHN sind sie alle gleich, auch Vance gehört zu seinen Schafen, auch wenn sich das gerade mal verlaufen hat. Das sehen wir auch in einem weiteren Beispiel und das ist die Begegnung Jesu mit Zöllnern und Sündern, wie in Markus 2,13-17 beschrieben. Er hat ihnen eine befreiende Lebensveränderung ermöglicht, indem er ihnen Annahme und Vergebung schenkte. Diese Freiheit ist nicht nur eine Befreiung von äußeren Zwängen, sondern auch eine Befreiung von inneren Fesseln.
Diese Befreiung von den inneren Fesseln ist der Schlüssel zu unserer persönlichen Freiheit. Und diese Freiheit ist nicht nur radikal und vollkommen, sie ist eine Freiheit die auch den anderen seine Freiheit ermöglicht. Ihr erinnert euch:
Die Freiheit des Einen endet an der Freiheit des Anderen.
Diese Einschränkung wird aufgehoben, weil Jesus Freiheit in Verantwortung gibt (eben das Gebot der Nächstenliebe) und es so zu keiner Einschränkung des anderen kommen kann. Was letztlich auch heißt: wer die Freiheit des anderen einschränken möchte, schränkt gleichzeitig seine Liebe zu diesem ein. Wer aber seine Liebe zu einem anderen einschränkt, schränkt seine persönliche Freiheit selbst ein. Das ist zugegeben reichlich abstrakt, doch wenn man ganz lange darüber nachdenkt, oder wie Franziskus darüber meditiert, dann erkennt man, dass eben alles mit allem verwoben ist. Wenn z.B. in einer Gesellschaft, na sagen wir mal die deutsche Gesellschaft, keiner mehr seinen “Nächsten liebt”, so wird die Gesellschaft untergehen. Und das gilt natürlich auch darüber hinaus. Und wem das zu fromm oder religiös klingt, der mag sich vorstellen, wie eine Gesellschaft ohne Kooperation aussehe. Was würde also passieren, wenn Menschen nicht mehr zusammenarbeiten würden und jeder nur noch sich selbst an erster Stelle sehe ein “Me First”, sozusagen. Konkreter? Womit packt ein Bäcker sein Brot? Womit feuert er seinen Ofen an? Wer baut ihm seinen Ofen? Wer verkauft das Brot? Womit sollen es die nicht existierenden Kunden bezahlen? Ihr versteht mich, denke ich, auch wenn das eine sehr großer Schritt nach vorne war!
Es liegt im Gebot der Nächstenliebe also eine gehörige Portion Verantwortung drin und diese abzulehnen wäre destruktiv und verfehlt und würde letztlich allen Menschen schaden.
Paulus greift diese Verantwortung ebenfalls auf (Gal. 5, 13):
Gott hat euch zur Freiheit berufen, meine Brüder und Schwestern!
Aber missbraucht eure Freiheit nicht als Freibrief
zur Befriedigung eurer selbstsüchtigen Wünsche,
sondern dient einander in Liebe.
Ein zentrales Thema bei Paulus ist die Freiheit von der Macht der Sünde. In Römer 6,18 erklärt er, dass wir durch Christus von der Sünde befreit und zu Dienern der Gerechtigkeit geworden sind. Diese Freiheit bedeutet, dass wir nicht mehr unter der Herrschaft der Sünde leben müssen, sondern ein neues Leben in Christus führen können.
In Galater 5,1 ermahnt Paulus die Gläubigen:
“Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder in ein Joch der Knechtschaft spannen.”
Hier betont er, dass die Freiheit, die Christus schenkt, nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden soll, indem man sich wieder unter das Gesetz stellt. Und das lieben wir ja; ich meine noch ein Gesetz und noch eins, dann wird bestimmt alles besser!
Paulus sieht Freiheit ebenfalls in der Verantwortung, in Liebe zu handeln. In Galater 5,13 sagt er:
“Ihr aber seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe diene einer dem andern.”
Diese Freiheit ist also nicht egoistisch, sondern dient dem Wohl der Gemeinschaft. Stell dir mal vor, du könntest dies wirklich in deinem Alltag erleben. Keiner jammert mehr, sonder alle versuchen einander zu dienen und Dinge besser zu machen, also nicht ständig mit dem Finder auf andere zu zeigen oder die Schuldfrage zu klären. Stellt euch mal vor, es gebe Fussballspiele nur noch um des Spaßes willen.
Ok, das war euphemistisch, dennoch einen Gedanken wert, wie ich finde.
In 2. Korinther 3,17 schreibt Paulus:
“Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.”
Für Paulus ist Freiheit eng mit der Gegenwart und dem Wirken des Heiligen Geistes verbunden. Und das ist der Maßstab! Es gilt eine gut austarierte Abwägung der irdischen Freiheit und der echten Freiheit zu finden. Jesus hat immer die Überbewertung (Joh. 8, 31f) der irdischen Freiheit zu Lasten der echten Freiheit abgelehnt. Wer die echte Freiheit sucht, halte sich an das Wort Jesu und handele danach.
Nun noch die Auflösung meiner Frage Eingangs. Ist Lüge eine Form der Meinungsfreiheit?
Lassen wir diese Frage Jesus beantworten, ER ist hier sehr klar, kein Gleichnis oder so, das man interpretieren müsste Joh. 8, 44:
Ihr seid Kinder des Teufels, der ist euer Vater, und ihr wollt nur ausführen, wonach ihm der Sinn steht. Er ist von Anfang an ein Mörder gewesen und hat niemals etwas mit der Wahrheit zu tun gehabt, weil es in ihm keine Wahrheit gibt. Wenn er lügt, so entspricht das seinem Wesen; denn er ist ein Lügner und alle Lüge stammt von ihm.
Es ist also eine Frage der Seite, die du wählst.
Stellst du dich zu Jesus?
Oder, stellst du dich zu Satan?
Amen
Ich möchte mit einem Schlusslied enden, das Heinz-Rudolf Kunze sicher nicht für einen Gottesdienst gedacht hat und doch zeichnet er ein erstaunliches Bild von dem, was wir Freiheit nennen.
Frei zu sein hat fast noch mehr Gesichter
als es Menschen auf der Erde gibt
ihre Augen sind wie Sternenlichter
vor die sich manche dunkle Wolke schiebt
Frei zu sein von Hunger Not und Sorgen
das alleine war schon immer schwer
ohne Ängste vor dem nächsten Morgen
doch frei zu sein bedeutet noch viel mehr
Frei zu sein
war niemals leicht
doch wer das nicht erreicht hat
der hat nichts erreicht
Frei zu sein zu leben wie wir möchten
und zu glauben was uns heilig ist
frei zu sein mit allen unsern Rechten
ohne daß man seine Pflicht vergißt
Frei zu sein dafür sind wir geboren
säe aber sei für Sturm bereit
ohne Freiheit ist der Mensch verloren
eingekerkert in Natur und Zeit
Frei zu sein
war niemals leicht
doch wer das nicht erreicht hat
der hat nichts erreicht
Frei zu sein heißt alles selbst entscheiden
Fragen stellen manchmal unbequem
Herden können Eigensinn nicht leiden
Freie sind nicht immer angenehm
Frei zu sein dem Leben Form zu geben
und dem Schicksal eigenes Gesicht
frei zu sein sich selber anzustreben
Freiheit ist der tiefste Sinn von Licht
Frei zu sein
war niemals leicht
doch wer das nicht erreicht hat
der hat nichts erreicht11
[^frei]: Frei zu sein