Die Gute Prüfung

Unser Predigttext aus 1. Thessalonicher 5, 21, der auch unsere Jahreslosung ist und uns durch das ganze Jahr begleiten soll, vielleicht auch darüber hinaus, hat es in sich. Nicht auf den ersten Blick, aber auf den Zweiten und Dritten.

In einer Zeit, in der nie wirklich klar ist was Wahr, was Gut, was Unwahr und was nicht Gut ist, will uns dieser Vers leiten und uns durch den Dschungel der “Fakenews” und alternativen Wahrheiten begleiten.

Ich möchte diesen Vers zunächst lesen:

(HOF) Prüft jedoch alles und behaltet das Gute!

Vielleicht ist dieser Vers in diesem Jahr sogar eine besondere Verheißung, die uns möglicherweise helfen soll, uns nicht im Irrgarten der Möglichkeiten, Meinungen, Alternativen und Tatsachen zurecht zu finden.

Ich gehe wie immer davon aus, dass der Vers gelost wurde und nicht, angedacht der vor uns liegenden Herausforderungen, ausgesucht wurde. Aber das spielt auch nicht wirklich eine Rolle, es sei denn man möchten den Herrenhuter Brüdern eine politische Absicht unterstellen. Dem würde ich nicht folgen, da es bei dem Vers um eine grundsätzliche Aufforderung Paulus geht, wie Gemeinden mit den Strömungen und Veränderungen ihrer Zeit umgehen sollten. Diese Aufforderung und Wegweisung folgt nach einem Kapitel in dem Paulus erklärt wie wichtig es in der Zeit des Wartens auf Christus ist, beständig im Glauben, hellwach zu bleiben. Diese Verse wimmeln nur so vor Metaphern, aber sie fordern die Gläubigen auch eindeutig auf an Glauben, Liebe und Hoffnung festzuhalten. Diese Prinzipien sind also unsere Basis für die Jahreslosung, auf der Suche nach dem Guten.

Tradition

Im Kontext der Losung fällt mir zunächst noch ein ganz anderes Stichwort ein und das ist “Tradition”. Zunächst aber möchte ich den Vers noch in seinem Kontext weiter beleuchten, denn das ist wie immer für das Verständnis wichtig.

Paulus schrieb ihn im 1. Brief an die Thessalonische Gemeinde (Thessaloniki, gibt es heute noch; es handelt sich hierbei um eine griechische “Heidenchristen”-Gemeinde). Diese Gemeinde kann gut als Musterbeispiel einer jungen Christengemeinde gelten, auch wenn sie von den Judenchristen noch nicht vollständig anerkannt war, zumindest zur Zeit des Briefes. Im 1. Kapitel wird dieses Vorbild lobend erwähnt. So deutet vieles darauf hin, dass die Verfasser des Briefes Paulus, Silvanus und Timotheus sehr darauf achteten, dass diese junge zweifelsfreie Glaubensgemeinschaft ihre Ursprünglichkeit nicht verlieren sollte.

Wenn es um Tradition geht, so kann man sich hier ohne weiteres die Finger verbrennen. Schon das zeigt, wie wichtig es ist sich diesen Vers bewußt zu machen. Eines scheint mir hier besonders grundlegend zu sein und das kennen wir noch sehr gut aus der Jahreslosung des vergangenen Jahres.

  1. Korinther 16, 14 (GNB):

Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein.

Das bezieht sich offensichtlich auch darauf, wenn wir das was uns begegnet prüfen. Wir unterstellen allem also nicht erst alles mögliche Schlechte und werten alles Neue nicht als Angriff auf unsere Kultur und Riten, sondern prüfen mit dem Blick des liebenden Herzens.

Gilt das auch für Traditionen?

Ich denke schon, aber nur, wenn man unterstellt, dass es Veränderungen gab, die ein Handeln notwendig machen. Wir erinnern uns noch an die Zeit der Pandemie zurück, hier war es notwendig vom persönlichen Händeschlag Abstand zu nehmen, auch etwas mehr Abstand zu halten, als wir es gewohnt waren. Das machen wir im übrigen nicht mehr.

Warum?

Weil es keine Notwendigkeit mehr dafür gibt.

Hier hat sich eine Tradition also gar zweimal geändert. Zunächst mit der Aussetzung und dann mit der Aufhebung derselben. Auch das ist möglich.

Warum?

Weil es uns wichtig ist uns mit Handschlag zu begrüßen, aber mindestens so wichtig ist es uns, uns vor so einem fiesen Virus gegenseitig zu schützen. Ist ja auch blöd, wenn nachher keiner mehr zum Händeschütteln übrig ist, oder?

Ich möchte mit diesem Beispiel zeigen, dass es Gründe gibt auf Traditionen zu verzichten, so wie es Gründe gibt Traditionen zu begründen. Beides bedarf der Prüfung; und wie schon erwähnt prüfen wir mit dem Blick des liebenden Herzens.

Das zeigt aber auch, dass es mitunter nötig werden kann, Traditionen zu überprüfen, nicht immer helfen sie uns unseren Auftrag zu erfüllen. Und spätestens dann, sollten wir darüber nachdenken, ob es ein Aussetzen dieser Tradition braucht. Wichtig dabei ist, dass das für ein höheres Ziel geschieht, also nicht wahllos oder aus Langeweile, sondern weil wir zu der Überzeugung gekommen sind, dass es uns mit einer Veränderung leichter fallen könnte, zusammen zu leben oder das Evangelium zu verkündigen. Gerade letzteres wird in so unterschiedlichen Formen praktiziert, dass es fast schon infantil wäre daraus eine Tradition zu machen.

Was ist Gut?

Nun sagt Paulus ja, wir sollen alles prüfen und das Gute behalten. Aber was ist Gut, was ist es wert das wir es behielten?

Vielleicht müssen wir die Frage anders stellen?

Ein geflügeltes lateinisches Sprichwort fragt: “Cui bono?“.

Also: “Wem nützt es?”

Das scheint gar nicht so schlecht zu sein, missachtet in unserem Zusammenhang allerdings das oft egoistische Streben Mancher ihre Interessen gegen die der Anderen durchzusetzen. Das dieses Streben beiden nützen kann mag sein, nur das die Motivation der Beteiligten sehr unterschiedlich wäre und es bliebe die Frage was dabei heraus käme.

Viele lehnen Dinge vehement ab, wenn sie allzu schmerzlich und mit allzu viel Entbehrungen verbunden sind. Kaum jemand nimmt freiwillig etwas auf sich, wenn das hieße, dass er selbst etwas dafür opfern müsste. Allerdings gibt es auch hier Beispiele, die zeigen, dass es durchaus Menschen gibt, die sich bewußt für den Verzicht entscheiden, die sogar bereit sind sich selbst zu geißeln und zu züchtigen. Das liegt nicht Jedermann und ob das dazu geeignet ist Gutes in der Welt zu tun; ich bin mir da nicht sicher.

Ist es das, was Paulus vorschwebte?

Das Lexikon verweist auf Psalm 14, 3:

Aber alle haben sich von ihm abgewandt

und sind nun verdorben, einer wie der andere.

Da ist wirklich keiner, der Gutes tut, nicht ein Einziger!

Ich dachte zunächst, hier werden doch nur Menschen angesprochen, die besonders auffällig geworden sind, oder welche die (mal wieder) David an die Wäsche wollten. Aber der Vers zuvor lässt keinen Zweifel:

Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschen.

Er will sehen, ob es wenigstens einen gibt,

der einsichtig ist und nach ihm fragt.

Nun nochmal in Gänze:

2 Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschen.

Er will sehen, ob es wenigstens einen gibt,

der einsichtig ist und nach ihm fragt.

3 Aber alle haben sich von ihm abgewandt

und sind nun verdorben, einer wie der andere.

Da ist wirklich keiner, der Gutes tut, nicht ein Einziger!

Daher ist keiner Gut außer Gott.

Es ist dem Menschen auch nicht möglich von sich aus Gutes zu tun. Jedes Bemühen Gott näher zu kommen, indem der Mensch sich bemüht und Gutes tut ist vergebene Mühe.

Allein der Heilige Geist, der in dem Menschen einzieht, wenn dieser sich Gott durch Jesus hingibt, wird durch IHN Gutes tun und Gutes bewirken können. Dabei ist es nicht der Mensch, der aktiv geworden und für alle sichtbar Gutes getan hat, der Lob und Ehrerbietung verdient hätte, sondern der Heilige Geist, der in diesem wirkt und durch diesen sich das Gute nach außen gekämpft hat.

So ungefähr beschreibt es Fritz Rienecker in seinem Lexikon zur Bibel.

Der eine oder andere wird entgegnen, dass er doch kein Lexikon braucht, um zu wissen was Gut und was Böse ist. Und doch ist das Gute zumeist das, was dem einen nützt; muss das aber für den anderen gelten? Und wenn dem so wäre, könnten wir unterstellen, dass es Menschen gibt, die “ohne Schuld” seien, weil sie nach dieser Definition nur Gutes getan hätten? Das aber würde verleugnen, dass die Menschen Gott den Rücken gekehrt haben, dass sie dem Guten den Rücken gekehrt haben, denn Gott ist “das Gute”.

Prüfung

Damit stellt sich natürlich die Frage, ob es der Heilige Geist sein könnte, der prüft und dann widerstreitet. Das ist doch kaum denkbar! So würde es doch bedeuten, dass jede Prüfung, ob denn etwas Gut sei, nur durch den Heiligen Geist in uns geschehen kann.

Das ist in einem streitbaren Umfeld nur schwer vorstellbar, wie sollte das denn gehen?

Wenn der Heilige Geist zu Wort kommen soll, so kann das nur durch das aufmerksame Hören des Gläubigen sein!

Das klingt zunächst widersprüchlich, doch ist es der einzige Weg.

Jede Prüfung kann daher, oder sollte von gemeinsamen Gebet flankiert sein.

In jedem Fall ist es eine Einladung zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Glauben und zur Suche nach der Wahrheit.

Einfache Wahrheiten, sind hier kaum zu erwarten.

Einschnitte der eigenen Interessen, schon eher.

Wer aber diese (Über)Prüfung als Herausforderung empfindet, liegt damit doch gar nicht so falsch, denn na klar erwartet sie von uns in jedem Fall Bewegung. Denkt an die vielen Traditionen die uns lieb und wichtig geworden sind und stellt euch vor diese sollen überprüft werden. Sofort ist ein schauriges Gefühl des Unwohlseins mit im Spiel - bei den einen; aber bei anderen vielleicht eine freudige Erwartung. Und es ist dieser Spannungsbogen der es schwierig machen wird, zu einer echten Überprüfung zu kommen bzw. Traditionen zur Disposition zu stellen.

Das Gute zu behalten bedeutet, dass wir das, was wahr, edel und von Gott inspiriert ist, annehmen und bewahren sollen. Es geht darum, das Wertvolle und Wahre zu erkennen und es in das eigene Leben zu integrieren.

Nicht immer ist das, was wir als Schlecht einordnen tatsächlich schlecht

und nicht immer ist das was Gut erscheint, auch tatsächlich gut.

Wer seinen Job verliert wird sich darüber sicher nicht freuen, ich hatte selbst dieses Erlebnis und aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass mit hätte nichts besseres passieren können.

Es sind die krummen, unbequemen Wege, die uns formen, die uns so machen wie wir sind. So manche Erfahrung, so manche Weisheit ist auf dem Feld des Versagens, der Entmutigung und der Trauer erkämpft worden. Ich wünsche niemanden auf der Welt, dass er seine Erfahrungen auf diese Weise sammeln muss, doch sind diese nicht deshalb umso wertvoller?

Daher wundert es kaum, das Paulus diese Empfehlung ausspricht, und sie berührt noch einen anderen wichtigen Punkt. Paulus war ein glühender Verfechter des Gesetztes Gottes. Jede Übertretung war für ihn eine absolute Schande und Sünde vor Gott. Das ist soweit nicht falsch, doch brauchte es für ihn erst ein “Erweckungserlebnis”, das ihm die Augen “öffnete” damit er erkannte, dass Gott die Menschen liebt, auch die Sündigen, aber ihr falsches Tun haßt. Paulus übertrug das fatalerweise auf die Person und verweigerte ihr jedwede Form der Liebe.

Wenn man es genau nimmt, hat er seine Lehre damals, auf dem Weg nach Damaskus, sehr genau unter die Lupe genommen, geprüft, abgewogen, bestimmt und bis ins Kleinste untersucht. Mit Hilfe des Heiligen Geistes, konnte er das Gute finden und behielt es, alles andere, was ihn von Gott und den Menschen trennte verwarf er. Er lebte also schon nach dem Vers unserer Jahreslosung. Das brachte ihm viel Missverstehen ein und oft sah er sich genötigt seine Überzeugung von Gewissensfreiheit und Nächstenliebe zu erklären. Wir alle profitieren heute noch davon, denn kein anderer ging auf die “betriebsinternen Probleme” der ersten Gemeinden so ein, wie Paulus.

In einem Parallelvers, in 1. Joh. 4, 1 finden wir folgende Worte:

Ihr Lieben, glaubt nicht allen, die vorgeben, Botschaften des Geistes zu verkünden! Prüft sie, ob der Geist Gottes aus ihnen redet. Denn diese Welt ist voll von falschen Propheten.

Aktives Leben im Glauben

In diesem Vers ging es Johannes insbesondere um die Geistesgaben. Die anscheinend für ordentlich Wirbel in den Gemeinden gesorgt haben. Paulus und auch Johannes schienen sich allerdings besonders um die Lehre der jungen Christen zu sorgen, so erklären sich die häufigen Mahnungen.

Für uns gilt dies aber genauso. Auch wenn auf den ersten Blick alles homogen scheint, so werden auf den zweiten Blick die Unterschiede erkennbar. Wir kennen die gravierende Teilung zwischen Ost- und Westkirche, oder auch Katholischer und Evangelischer Kirche. Gravierend deshalb, weil das für die betroffenen Menschen harte Konsequenzen hatte. Es ist eine interessante Frage, ob der kriegerische Widerstreit damals ein sehr sicheres Zeichen für das Prüfen, wie Paulus es in seinem Vers anregte gewesen sein könnte. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Paulus mit solchem Widerstreit gerechnet hat und ich hatte oben ja schon mehrfach betont und wiederhole das hier nochmals, dass jede Prüfung mit der liebenden Sicht unseres Herzen geschehen muss. Denn wenn wir diese Lehre (vgl. Verhaftung Jesu im Garten Gethsemane[Folie]) ignorieren, kostetet uns dass das ewige Leben bei Gott.

Die Ermahnung Paulus erinnert uns auch daran, dass unser Glaube nicht passiv sein sollte. Wir sind eingeladen, aktiv zu prüfen und zu lernen, uns weiter zu entwickeln. Mir müssen uns dabei nicht gegenseitig die Ohren abhauen, denn das führt nur zu weiterer Gewalt, nicht nur der physischen, sondern auch der psychischen. Heutzutage wird ja mit allen Mitteln gekämpft. Manchmal wundere ich mich noch darüber.

Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll, aber unsere “Glaubenslandschaft” erstaunt mich immer wieder. Es drängt sich mir die Vermutung auf, dass die Menschen doch irgendwie dazu neigen, ihr christliches Leben an ihre Überzeugungen anzupassen. Passt dies nicht (mehr) zur gewählten Gemeinde, so wird flux eine andere gesucht, zur Not solange bis sich etwas adäquates findet.

Andersherum geht aber auch.

So manche Gemeinde ist nicht bereit alte Angewohnheiten und Riten zu überdenken, zu prüfen, ob damit die Menschen überhaupt noch erreicht werden können. Solche Gemeinden haben damit zu kämpfen, dass sie von Geschwistern verlassen werden, weil deren Prüfung ergeben hat, dass ihre Grundüberzeugung in Gefahr ist und daher nichts Gutes übrig bleibt. Ich habe das etwas überspitzt formuliert, dennoch ist das ein Punkt über den alle Gemeinden nachdenken müssen. Wenn wir nur anführen die wahre reine Lehre zu vertreten genügt das nicht, denn das behaupten viele und das wahr auch damals schon so, als Paulus diesen Vers geschrieben hat.

Ich meine, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen sollte, so wie Gott ihn sieht. Alles andere erscheint mir Beiwerk, kann unterhaltsam sein oder auch lehrreich, doch alles ist doch nichts ohne die Liebe zueinander. Wenn diese Raum gewinnt, wie soll sich dann Hass, Misstrauen und Ungerechtigkeit ausbreiten können?

Für das neue Jahr wünsche ich uns einen ungetrübten Blick auf die Welt und die Menschen, mit dem liebenden Blick des Herzens, ohne Sorge und Traurigkeit. Fest gegründet im ewigen Vertrauen zu Gott, der die Menschen liebt, so sehr liebt, dass er seinen Sohn für ihre Schuld gegeben hat.

So bleibt wachsam und hütet euch vor falschen Lehren und haltet fest an Glauben, Liebe und Hoffnung.

Prüft alles und behaltet das Gute!

Amen

Zusätze
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