Das Jahr neigt sich dem Ende zu und so langsam geht mein Blick auch zurück. Was war alles los, was habe ich erlebt. Welche Begegnungen sind mir in Erinnerung geblieben.
Und wie jedes Jahr bin ich vor allem Dankbar, auch wenn es ein paar wenige Dinge gäbe über die ich klagen könnte, so liegt mir das fern, denn jeder der mich kennt, weiss auch, dass ich eher zu den Optimisten gehöre und ich in der Regel das Glas halb voll sehe.
Das Thema, dass mir für diesen Sonntag geschenkt wurde, habe ich während unseres Urlaubs in Portugal bekommen. Das ist für mich gar nicht so ungewöhnlich, denn immer wenn ich mit der Besten Ehefrau von allen unterwegs bin, finde ich doch die eine oder andere Situation, in der ich nur Beobachter bin. Im Alltag habe ich allzuoft Aufgaben, muss Dinge erledigen oder über ein Problem nachdenken, dessen Lösung notwendig ist, dass dafür keine Zeit bleibt. Aber im Urlaub, da tauche ich mit Kamera und offenen Augen ein und bestaune die Dinge um mich herum.
Und so stellte ich mir die Frage: “Was verehren wir Menschen eigentlich? Was oder Wer verdient unsere uneingeschränkte Ehrerbietung und was macht das mit uns?”
Vielfach sehe ich Menschen, die vor allem Weltliches verehren. Da ist das neue Smartphone, das aufgemotzte Auto, das Eigenheim, die Stellung in Beruf und Gesellschaft - Anerkennung, Künstler in jeglicher Couleur und natürlich der Fußball- oder Sportverein. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und es ist in gewisser Weise nachvollziehbar, denn all dieses ist für die Menschen greifbar und vor allem begreifbar.
Nun sitzen wir alle in einem Gottesdienst und alle werden sich fragen: “Und was ist mit Gott?“. Das ist überaus berechtigt. Auch hier geben Menschen alles und verehren “Gott”. Sie bauen ihm große Tempel, Türme mit Gold überzogen, Figuren auch. Sie veranstalten Prozessionen und singen laut Anbetungslieder. Beten ohne Unterlaß und stiften Kerzen für allerlei Anliegen und zur Ehre Gottes. Es werden tonnenweise Bäume gefällt, um Papier herzustellen, auf das dann das Wort Gottes geschrieben wird. Oft wird das Buch dann noch in einem aufwendigen Einband mit jeder Menge Verzierungen eingepackt und mit viel Glück, liest dann der Besitzer auch mal darin, zur Erbauung und zur Unterweisung.
Ich selbst habe jede Menge Bibeln. Eine Thomson Studienbibel, eine Familienbibel, ein Neues Testament (Hoffnung für alle), die im Regal meiner Bibliothek stehen und jede Menge Bibeln und Nachschlagewerke, die ich auf meinem Computer und sogar auf meinem Smartphone habe - für unterwegs, denn man kann ja nie wissen.
Verehre ich diese Dinge - nein!
Denn letztlich sind es nur Bücher, Schrift in lesbarer Form, physisch greifbar und doch nur der Träger des eigentlich Wesentlichen; ein Hilfsmittel, ein Werkzeug.
Und so sehe ich mitunter und leider immer öfter, dass diese Dinge ihre Gewichtung, die ihnen zugewiesene Rolle und damit auch ihre Bedeutung verlieren.
Was also verehren wir, beten wir an?
In unserem Predigttext für heute; in Philipper 2,10-11 heißt es:
„(HOF) Vor Jesus müssen einmal alle auf die Knie fallen:
alle im Himmel, auf der Erde und im Totenreich.
11 Und jeder ohne Ausnahme
wird zur Ehre Gottes, des Vaters, bekennen:
Jesus Christus ist der Herr!“
Paulus ist hier sehr festgelegt und mindestens so radikal wie überzeugt, dass es gar nicht anders sein kann. Und ich stimme ihm zu, denn die Antwort des Evangeliums auf die Frage: “Wen verehrst du?“, kann nur Jesus Christus heißen. ER ist es doch, dem wir unser Leben anvertraut haben. Zumindest gilt das für uns Christen. Paulus sagt aber in Vers 11: “… jeder ohne Ausnahme”. Meint er die Gemeinde Christie oder alle Menschen? Im Bezug auf Johannes in Off. 11, 15:
Dann blies der siebte Engel seine Posaune. Da erhoben sich im Himmel laute Stimmen, die sagten: »Jetzt gehört die Herrschaft über die Erde unserem Gott und seinem Gesalbten König, und Gott wird in alle Ewigkeit regieren!«
Sind nicht nur alle Menschen auf der Erde gemeint, sondern alles was sich darauf befindet und sogar die ganze Erde selbst. Es geht, wie zu vermuten war, um die Schöpfung Gottes selbst!
Christus zu verehren, ihn anzubeten, heißt daher, den Schöpfer und, wenn ihr so wollt, auch den Richter der Welt und des Universums zu verehren.
Wie aber sollen wir das tun?
Oder vielleicht besser gefragt, wie gelingt es uns, dass unsere Verehrung Gott auch erreicht und ihm eine Freude ist? Ist hier goldglänzendes Beiwerk hilfreich?
Wie muss dass denn für Gott sein?
Da kommen seine Kinder vor ihn und legen ihm zu Füßen, was er selbst erschuf. Und sie sind dabei mächtig Stolz, denn sie meinen etwas ungeheuer wertvolles geopfert zu haben.
Aber was soll Gott daran erfreuen?
Könnte er sich nicht selbst Millionen Tonnen Gold und was wir alles an kostbaren Dingen uns vorstellen könnten, selbst machen, mit einem Fingerschnipp?
Es ist ein wenig wie die furchtbar quälende Frage, was man jemanden zum Geburtstag schenken soll, der schon alles hat. Und auch hier ist die Antwort die gleiche: Aufmerksamkeit, Zeit miteinander, Austausch, also Anteilnahme am Leben des anderen.
Und so möchte Gott doch auch nur, dass wir ihn beachten, mit ihm in Verbindung treten und unser Leben mit ihm teilen.
Denn was nützt ihm ein Weihnachten oder Ostern voller Aufmerksamkeit seiner Kinder, wenn sie den Rest des Jahres ohne IHN verbringen? Was nützt IHM diese geborgte Aufmerksamkeit, wenn die Menschen die restliche Zeit ihres kurzen Lebens sich ihren Leidenschaften und egoistischem Treiben hingeben?
Jesus sagt selbst in Johannes 4,23-24:
„Aber die Stunde kommt und ist schon da, in der die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche Anbeter. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“
Das bedeutet: Anbetung ist nicht mehr an einen bestimmten Ort oder äußere Rituale gebunden, sondern geschieht im Herzen, durch den Heiligen Geist.
Alle Anbetung Gottes findet in unserem Geist und in unserem Herzen statt. Es ist unser Wesen, das zum Anbetungsgottesdienst in unserem Leben wird.
Wann?
Na immer, immer wenn wir über alltägliche Dinge grübeln, Probleme wälzen oder nach Lösungen suchen. Wenn wir voller Freude sind, mit anderen zusammen, oder in der Natur - mitten drin. Wenn wir traurig sind, oder Angst haben. Wenn wir unser Leben planen und Entscheidungen treffen, die den Fortgang unseres Lebens in eine Richtung festlegen.
In unserem Geist ist er bei uns und lauscht unseren Gedanken, wenn wir ihn lassen. Und wenn wir uns selbst lassen, hören wir auch seine Antwort.
Das ist wenig greifbar und tatsächlich absolut individuell. Was ja aber nicht bedeutet, dass wir uns nicht darüber austauschen könnten. Möglicherweise, und ich erwarte es tatsächlich auch, ergeben sich daraus derartige Unterschiede, dass wir im Gespräch merken wie fremd uns die Verehrung des Anderen erscheinen kann. Hier brauchen wir das Verständnis dafür, dass es eben eine sehr individuelle Sicht ist und diese nicht standardisiert/formalisiert werden kann. Nicht durch Zeremonien, Liturgien, Symbolen oder Formeln.
Daraus stellt sich die Frage, ob wir denn so zueinander finden können. Also, wie feiern wir dann gemeinsam Gottesdienst? Wie drücken wir gemeinsam unsere Verehrung aus, wenn diese so unterschiedlich ist, wie wir selbst sehr unterschiedlich sind?
Das alles hat Paulus und die Gemeinden damals schon umgetrieben und so finden wir die Antworten auf diese Fragen auch in Paulus Briefen und seinen Empfehlungen für den Umgang miteinander.
Und auch Jesus hat in seinem Gebot der Nächstenliebe eine eindeutige Handlungsanweisung für uns festgelegt. Wir dürfen diese immer hernehmen, wenn wir glauben etwas misszuverstehen oder auf etwas uns fremdes bzw. ängstigendes zu stoßen.
Ich finde Paulus Bitte an die römische Gemeinde interessant:
13 Hören wir doch auf, uns gegenseitig zu verurteilen! Achten wir vielmehr darauf, dass wir unserem Bruder kein Hindernis in den Weg legen und ihn zu Fall bringen! 14 Ich weiß und bin durch den Herrn Jesus fest davon überzeugt, dass nichts von Natur aus unrein ist. Aber für den, der etwas als unrein ansieht, ist es unrein. 15 Wenn du also deinen Bruder wegen einer Speise in innere Not bringst, dann lebst du nicht mehr in der Liebe. Bring ihn mit deinem Essen nicht ins Verderben! Christus ist ja auch für ihn gestorben.1
Und das ist ja genau das was Paulus an anderer Stelle meint: “achte deinen Nächsten mehr als dich selbst”. Heißt ja auch, auf den Nächsten Rücksicht zu nehmen, obwohl du dich selbst im Recht siehst und womöglich tatsächlich im Recht bist. Das Gebot der Nächstenliebe überschreibt dieses Recht, denn Jesus hat die Gerechtigkeit schon erfüllt. Wenn es darum geht einen anderen nicht zu verletzten oder ihm in seinem Glaubensleben ein Hindernis zu sein, dann muss mein Recht auch in den Hintergrund treten!
Im Umgang miteinander ist das nicht nur ein Stolperstein, sondern ein Fels, ach was, ein Gebirge groß wie der Himalaya. Dieses zu überwinden, zu bezwingen, ist eine Lebensaufgabe; und manchmal ist es leicht, wie über eine Pfütze zu springen. Ich möchte daran erinnern, dass Jesus schon alle Gerechtigkeit erfüllt hat. Es ist nicht notwendig, dass wir dem etwas hinzufügen. Wer will sich also über Gottes Gerechtigkeit setzen, wer will Jesus das Heft aus der Hand nehmen?
Paulus hat ja, weil er wußte wie schwer uns das Zusammenleben fällt, sehr präzise Anleitungen mitgegeben. Im Grunde ist es aber nur eine Sammlung von Beispielen, die uns verdeutlichen sollen, wie wir Nächstenliebe im Alltag praktizieren können.
Im Bezug auf Verehrung und Anbetung schreibt er uns in Römer 12,1:
„Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer; das sei euer vernünftiger Gottesdienst.“
Gemeint ist damit unser ganzes Leben, mit Haut und Haaren, Mann und Maus, soll das ein einziger Gottesdienst sein. Mit jeder Menge Lametta, Posaunen, zur Ehre Gottes.
Gehe/brauche ich für diesen Gottesdienst einen Tempel, eine Liturgie, Symbole oder Beschwörungsformeln, so bezieht sich meine Verehrung und Anbetung, mein Gottesdienst auf den Tempel, die Liturgie, die Symbole oder die Beschwörungsformel. Nur dann wird der Geist an mir sichtbar und ist für einen Moment zu erkennen. Werde ich selbst zum Gottesdienst, ist mein Leben ein einziges Fest zu Gottes Ehre, dann ist das in meinem ganzen Leben sichtbar, nicht nur Sonntags von 9:30 - 10:30 Uhr.
Für Paulus war es das Wichtigste überhaupt, in jedem Moment seines Seins in Gott verbunden in Anbetung und Verehrung zu leben.
Und auch wenn uns das nicht so gelingen mag wie ihm, so hat uns Gott dennoch an unseren Platz im Leben gestellt. ER hat damit viel Vertrauen in uns investiert und uns, damit wir mit diesem Platz auch etwas erreichen können, alles gegeben was wir brauchen.
Es gibt daher weder für uns selbst, noch für andere einen Grund, daran zu zweifeln und das in Frage zu stellen. Es mag bei dem einen oder anderen ein wenig dauern, bis er seinen Platz erkennt. Manchmal dauert es noch viel länger, um diesen Platz zu akzeptieren. Schlussendlich ist es aber eine Form der Verehrung, an diesem Platz zu Gottes Ehre zu wirken.
Wer diesem Plan zuwider handelt, riskiert eine Lücke in Gottes Plan, lehnt sich gar gegen diesen auf. Das bedeutet, dass jeder, der meint es besser zu wissen, eine enorme Verantwortung auf sich lädt!
Gedanken
Verehrung heißt auch, sich Gottes wirken nicht entgegen zu stellen. Im Gegenteil: ER wünscht sich, dass wir alles tun, damit diese Idee, diese Person an genau diesem Platz, erfolgreich ist. Das schließt Neid, Missgunst, ein: “warum gerade der?” aus. Auch ein: “das kriegt der doch nie hin …” ist der gegenteilige Ansatz. Denn vielleicht ist es gerade das, was Gott will, dass du dem anderen hilfst, obwohl er total ungeeignet scheint, oder überfordert?! Vielleicht, nein ganz sicher, möchte Gott, dass wir die Probleme, unser Leben, gemeinsam anpacken. Als Macher, energisch, mit Kraft und der Überzeugung, dass Gott uns in allem beisteht.
Wie widersprüchlich menschliches Ehrverständnis aber sein kann, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen.
Selensky fährt an die Front in den Donbas und ehrt dort Soldaten für ihren Einsatz, sie bekommen ein freundliches Händeschütteln und einen Orden. Das tut Putin auch. Er fährt ebenfalls an die Front und ehrt russische Soldaten für ihren Kampf fürs Vaterland. Alle diese Soldaten werden dafür geehrt, dass sie die jeweils andere Seite bekämpfen. Diese Ehrung bekommt also eine völlig andere Bedeutung, abhängig davon, auf welcher Seite der Frontlinie man steht.
Suchen wir also die “richtig” Verehrung, so suchen wir nach dem, der unser Leben am meisten beeinflussen kann bzw. beeinflusst hat. Denke ich sehr konsequent, so lande ich zwangsläufig bei Gott. Denn ohne IHN gäbe es mich ja gar nicht, ohne IHN würde ich die Gedanken nicht aussprechen oder je erdacht haben. Gott zu verehren, sollte also ein Leichtes sein.
Manchmal hilft es aber auch, sich auf die andere Seite zu stellen. Also sich selbst im Spiegel zu sehen und das was man so den lieben langen Tag anstellt zu reflektieren.
Was würde Gott dazu sagen?
Würde ER mit dem Kopf schütteln?
Oder würde ER grimmig, zornig drein schauen?
Vielleicht würde ER sich auch vor Lachen den Bauch halten?
Das könnte dabei ein Wegweiser sein.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass das viele Menschen abschreckt, weil ihr Gewissen davon abrät?! Doch das sei ferne. Das paradoxe ist doch, dass Gott genau weiss wo unsere Schwächen liegen. Sonst hätte ER doch keinen Grund gehabt seinen Sohn zu schicken, damit ER unser Leben in Ordnung bringen kann.
Und so kann unsere Verehrung Grund dafür sein, dass wir Gottes Liebe in Jesus erkannt haben. Und diese Liebe gilt ja nach wie vor!
Gottes Liebe haben wir geschenkt bekommen. Wir mussten dafür nichts tun und sie ist so unglaublich wertvoll, dass wir sie wohl lieber in unserem Herzen einschließen möchten. Aber dazu ist sie nicht da, wir dürfen und sollen sie weitergeben, sie in unseren Alltag mitnehmen, zum Gebrauch. Wir müssen keine Angst haben, das sie sich womöglich abnutzen könnte, denn sie erneuert sich ständig neu. Das ist das besondere an Gottes Liebe, die Gott uns persönlich geschenkt hat.
Amen