Der heutige Sonntag ist wie der vorige Woche, ein Sonntag der Osterzeit und wird Rogate lat. für betet/bittet genannt. Und der Bibeltext den ich für dieses Thema ausgesucht habe ist aus Matth. 6, 5-15. Ein Evangeliumstext in dem Jesus selbst auf das Beten eingeht und es uns durch Matth. überliefert wurde. Eingebetet sind die Verse in die Bergpredigt, es geht hier also um die ganz konkrete Stellungnahme Jesu zu verschiedenen Themen der damaligen Zeit.
Matth. 6, 5-15 (Gemeinde)
«Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen!
Sie beten gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken,
damit sie von allen gesehen werden.
Ich versichere euch: Sie haben ihren Lohn schon kassiert.
Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer,
schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater,
der im Verborgenen ist.
Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.
Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden.
Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen.
Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet.»
«Vater unser, der du bist im Himmel,
geheiliget werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, also auch auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Übel.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.»
Wenn ihr den andern vergebt, was sie euch angetan haben,
dann wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben.
Wenn ihr aber den andern nicht vergebt,
dann wird euer Vater euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Die Struktur, der Aufbau und auch der Kontext in dem das Vaterunser verortet ist, zeigt die tiefe Einbindung dieses allumfassenden Gebetes in die Bergpredigt und der damit beabsichtigten Ziele. So ist das reine Aufsagen des Vaterunser völlig wert- und sinnlos, wenn der Beter nicht dessen untrennbare Nähe zu Jesu Testament erkennt.
Doch bevor ich näher auf diesen Teil des Textes eingehe, möchte ich versuchen ein paar Fragen zu beantworten.
Diese Frage ist recht schnell zu beantworten. Ein Gebet ist ein Gespräch zwischen einem Menschen und Gott. Und doch ergeben sich ein paar Anforderungen, die doch verwirren können. Besonders wenn man Gott erst kennengelernt hat.
Ich halte das Gebet für eine sehr private Angelegenheit und so wie wir im Vertrauen mit anderen Menschen reden, können wir auch mit Gott reden. Allerdings sollen wir uns an die Mindestnorm gesellschaftlicher Kommunikation halten. Jesus betont in Matth. 6, 7:
«Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen.»
Wohlwollend könnte man sagen, wir brauchen nicht wie die Katze um den heißen Brei herum zu reden, sondern können, ja wir sollen sogar auf den Punkt kommen, wenn wir mit Gott reden. Ihr wisst, dass Gott alles Falsche und jede Geheimniskrämerei ablehnt. Wer sogar meint mit Falschaussagen durch Gott einen Vorteil zu erlangen, der redet sich um Kopf und Kragen.
Aber so wie es in der Kommunikation untereinander auch ist, so können manche Menschen sich nur schwer ausdrücken. Sie sind nicht so rethorisch begabt und glauben daher Gott mit ihren ungefeilten Sätzen zu enttäuschen.
In Vers 8 deutet Jesus an, dass es nicht um die Menge an Worten und ihre exzellente Auswahl geht.
«Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet.»
Wir brauchen gar nicht große Worte machen, wenn wir uns von Herzen Gott zuwenden. Selbst ein tiefes Säufzen ohne ein Wort erreicht Gott, so wie ein traurig drein schauendes Kind die Aufmerksamkeit seiner Eltern erregt.
Ein Gebet ist und bleibt meine direkte Verbindung zu Gott.
Es ist kein Monolog, der mich zum kreisen in Selbstgespräche verlorenen alten Tatterkreis macht.
Wer sich darauf einläßt wird feststellen, dass Gott sehr wohl mit uns kommuniziert.
Er lenkt unsere Gedanken und ruft selbst in unsere Gedanken hinein, manchmal ist es aber auch etwas was wir sehen, hören, schmecken oder riechen, oder ein Satz, ein Wort den/das wir lesen. Gott nutzt alle unsere Sinne. Und ich denke, dass ist der Grund dafür warum es uns so schwer fällt in zu “hören”, weil es eben nicht nur das Hören ist. Und alles was ich dazu sagen könnte, wäre dann doch nur eine blasse Umschreibung für das was wirklich passiert.
Erschwerend kommt dann auch noch hinzu, dass hören können und hören wollen, zwei verschiedene Dinge sind. Vielleicht sagt Gott dir etwas, unüberhörbar, schon fast penetrant aufdringlich, immer wieder und wieder und du weisst das auch, doch du willst es nicht hören, weil das bedeuten würde etwas ändern zu müssen, oder vielleicht einen schweren Schritt auf den anderen zu gehen zu müssen.
Mein erstes Gebet mit anderen zusammen, war ein Friedensgebet 1989 in der Markus-Kirche und ich habe dafür gebetet, dass sich die Verhältnisse in der DDR ändern und wir in Freiheit leben könnten. Und ich habe auch dafür gebetet, dass alle friedlich bleiben und es nicht wieder zu Gewalt kommen wird, wie in der Nacht auf dem Oberen Bahnhof.
Das war damals nicht nur mein erstes direkt an Gott gerichtetes Gebet, es war auch eines, das wirklich in Erfüllung gegangen ist. Die Menschen übersehen ja gerne mal, wenn Gebete tatsächlich von Gott erhört wurden und er eingegriffen hat. Wobei das irgendwie blödsinnig ist, denn mit Verlaub - Gott hört jedes Gebet, selbst die Unsinnigen.
Was ich aber oben schon angedeutet habe, das Gebet eröffnet mir einen Weg direkt mit meinem Schöpfer zu reden. Anders als bei verschiedenen Chefs in Unternehmen brauche ich dafür aber keinen Termin und muss mich auch nicht mit schloddrigen Knie unterwürfig und voller Angst seiner Knute unterwerfen. Ich sehe es eher und der Vergleich wird ja oft bemüht, wie ein vertrauliches Gespräch zwischen Eltern und ihrem Kind. Nun hatte ich kein wirklich gutes Verhältnis zu meinem Vater und so gesehen ist meine Vorstellung davon vielleicht mehr Wunsch als Realität, verschiedene Textstellen in der Bibel beziehen sich aber immer wieder auf den “Vater” und seine Kinder. Aber seht dieses Bild bitte nicht zu eng, denn wie immer wenn wir etwas unbeschreibliches zu beschreiben versuchen, ist es unvollkommen.
Dennoch möchte ich meine Aussage bekräftigen, du darfst mit Gott über alles reden, was dich beschäftigt. Gott möchte an deinem Leben teilhaben, ER ist nicht nur für unsere Wünsche da, ER freut sich wenn du ihm dankst, weil etwas gut gelaufen ist, oder wenn du IHM deine Freude oder auch deine Traurigkeit mitteilst.
Ganz klar, NEIN! Man kann sicher lernen im offenen Gebet anderen zu gefallen oder durch eine besondere Art und Weise des Betens bei anderen aufzufallen, aber es gibt nichts zu lernen. Aus Jesu Worten in Vers 5 ist unüberhörbar Verärgerung zu entnehmen. Das gibt uns allerdings auch Sicherheit zu unterscheiden, wann Gebet missbraucht wird und wann es ehrlich gemeint an Gott gerichtet ist.
Wenn ich von der empfohlenen Weise des Gebets wie sie in Vers 6 Jesus benennt ausgehe, gibt es ansich kein Richtig oder Falsch. Nach meinem Verständnis ergibt sich mein Gebet nach meiner Art mit anderen zu reden, so wie ich es ebend “gewöhnt” bin. Im stillen Kämmerlein, wenn ich alleine bin, brauche ich mich nicht zu verstellen, kann und darf und soll ich so sein wie ich bin. Ich sehe es eher anders herum, wer gelernt hat offen, ehrlich und mit Respekt auf andere zuzugehen, für den ist ein Gebet die natürlichste Sache der Welt. Dieses kann man nicht so einfach lernen, aber der heilige Geist den Jesus über alle die ausgießt, die sich zu ihm bekannt haben, befähigt uns dazu.
Ich halte es sogar für einen Irrweg, allerlei Verse auswendig zu lernen und gebetsmühlenartig vor sich hin zu murmeln, denn Gott will doch keiner Gebetsmühle zuhören, ER will wissen wie es uns geht und was uns bewegt. Auch gefällt es IHM, wenn wir IHN an unserer Freude teilhaben lassen und wenn wir IHN anbeten.
Auch diese Frage möchte ich recht einfach beantworten. Immer!
Wie ich oben schon ausgeführt habe; Gott will an unserem Leben teilhaben, möchte wissen was uns bewegt und wie es uns geht. Deshalb können wir zu jeder Zeit und in jedem Augenblick mit Gott durch Gebet in Verbindung treten. Glücklicherweise hat Gott selbst ja die Zeit geschaffen und so brauchen wir keine Angst haben ihn zu einer ungünstigen Zeit zu belästigen. So wie es eben Kinder mit ihren Eltern machen.
Daraus ergibt sich eine weitere Frage. Die nach der Häufigkeit. Kann ich Gott mit Gebet überschütten? Jesus beantwortet im vorliegenden Text diese Frage bereits: macht nicht so viele Worte, kommt auf den Punkt. Wir haben aber heute eher das Problem, zu wenig zu beten, weil uns der Alltag zu sehr in Anspruch nimmt, weil wir zu abgelenkt sind. Dann hilft es manchmal, sich eine feste Zeit in seinem Tagesplan vorzunehmen und sie für das Gebet zu nutzen. Wir nennen diese dann “Stille Zeit” und so gehört das Gebet irgendwann fest zu unseren Gewohnheiten.
Ich persönlich nutze jede freie Sekunde, die ist nicht an Ort oder Tageszeit gebunden. Manchmal durch etwas inspiriert, was ich morgens gelesen oder gehört habe, manchmal auch durch aktuelle Ereignisse geprägt. Da mein Tagesablauf und mein Arbeitstil sehr abwechslungsreich und flexibel ist, wurde mir sehr wichtig, mit Gott im Gebet das was ich erlebe zu reflektieren. Für mich ist es wichtig möglichst wenig festgelegte Termine mit Gott zu haben, sondern die Freiheit mit IHM jederzeit reden zu können auch zu nutzen. Und das funktioniert sehr gut. Das bringt mich oft auf gute Gedanken und manchmal beruhigt es mich auch oder lässt meinen Ärger über die Welt verbuffen.
Die Einschränkungen im Gottesdienst dienen nur der Kontrolle, damit wir zur ausgemachten Zeit fertig werden. Wenn sich aber alle an die bereits genannten Regeln halten, wird sich daraus nie ein Problem ergeben. Da bin ich mir sicher.
Das ist wirklich eine spannende Frage und so wichtig mein persönliches Gespräch mit Gott ist, so wichtig ist auch das Gespräch der Gemeinde mit IHM. Allerdings wechselt hier das Bild. Als Gemeinde sind wir ein Leib, ein Geist. Jeder ist ein Teil dieses Leibes und alles was diesen Leib bewegt wird aus seinen Teilen gespeist. Wichtig dabei ist der Unterschied. Es geht nun nicht mehr um den kleinen Teil, sondern den ganzen Leib. Ein persönliches Anliegen, soll auch persönlich bleiben, es sei denn es ist ein Problem, das den ganzen Leib betrifft.
Im offenen Gebet, wenn also auch andere anwesend sind, gelten alle die Regeln, die wir schon aus Epheser 4, 2 kennen. Jeder der versucht mit einem Gebet andere zu manipulieren, seine Interessen durchzusetzen, rammt sich selbst den Dolch in den Rücken.
Niemand hat den anderen zu kommentieren, das Gebet ist an Gott gerichtet. Ein “Mama, Mama, der hat Blödmann zu mir gesagt!” ist aus zwei Gründen völlig fehl am Platz:
Mama hat es selbst gehört und es obliegt ihr zu entscheiden wie sie damit umgeht.
Keiner mag Petzen! Wer andere anschwärzt hat selbst genug Schmutz zu verstecken.
Verärgerung über einen Bruder/Schwester gehören in ein klärendes Gespräch unter vier Augen und nicht in ein Gebet. Es steht Streithähnen jederzeit frei, sich zusammen zu tun und gemeinsam, auch im Gebet, um Frieden und Einigung zu ringen. Dies gehört auf keinen Fall in eine Runde in der auch nur einer dabei ist, der mit der Sache nichts zu tun hat.
Es ist alles zu vermeiden den anderen bloss zu stellen, zu beschähmen oder anzugreifen. Wann immer wir gemeinsam beten steht das WIR im Mittelpunkt.
WIR beten z.B:
um Gott zu loben und zu ehren
um Gott zu danken, dass wir in Frieden leben können
IHM zu danken, dass wir durch seine Gnade leben
In der Fürbitte beten wir für unsere kranken Geschwister
, aber auch um Wegweisung oder Weisheit bei wichtigen Entscheidungen
, und wir bitten um Einheit, als Leib Christi in der Gemeinde und über ihre Grenzen hinaus
Die Liste ließe sich noch beliebig erweitern, aber ich hoffe ihr versteht was ich sagen möchte.
In der Einleitung zu diesem Sonntag heute, hatte ich schon erwähnt, dass unser Text aus der Bergpredigt stammt. Das Vaterunser ist tatsächlich das bekannteste Gebet und die bekannteste Textstelle der Bibel auf der ganzen Welt. Die meisten Menschen haben es schon einmal gehört. Für viele ist es der Einstieg in eigene Gebete.
Interessanterweise fallen einige Dinge auf. Zum einen betont Jesus mehrfach, fast schon mit starkem Nachdruck, die Vergebung. So finden wir in den Versen 14 und 15 zwei reflexive Verse, die den 12. Vers erklären und besonders hervorheben. Die Doxologien (Danksagungen) am Ende von Vers 13 sind nicht in jeder Übersetzung vorhanden und die Parallelstelle bei Lukas (11, 2-4) ist um einige Verse gekürzt.
Im Absatz über das Almosengeben, das Fasten und auch vom Beten, betont Jesus wiederholt und überdeutlich, dass wir alles was wir tun, also ob wir Almosen geben, ob wir fasten oder ob wir beten, daraus keine Selbstdarstellung inszinieren sollen, weil wir sonst unseren Lohn bei Gott verlören. Hier finden wir also nicht nur eine Empfehlung, einen Rat, sondern auch gleich die Konsequenz, sollten wir uns nicht daran halten.
Der Geist diese Textes spricht eine sehr deutliche Sprache wie ich finde, und ist ein sehr praktisches Maaswerkzeug, um herauszufinden, was geht und was nicht.
Näher betrachtet, lässt sich im Matth.-text eine Dreiteilung ausmachen:
Anbetung
Fürbitte
Unterwerfung/Lobpreis
Der abweichende Text der Überlieferung lässt erkennen, dass es sich hierbei eben nicht um eine liturgische Formel handelt, sondern als eine seelsorgerlische Übung zum Gebet. Man kann es also gut als Schablone, als Richtschnur für das eigene Gebet verstehen und auch als Zusammenfassung der Bergpredigt und der Seligpreisungen.
Für die eigene Orientierung, sind beide Texte hilfreich. Sowohl der heutige Text aus Matth. als auch die Verse aus Lukas, sind geeignet um Sicherheit im Gespräch mit Gott zu bekommen.
Somit möchte ich schließen mit Ps. 66, 20:
«Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.»
Amen