2. Timotheus 3:1-9 (HOF) Das eine sollst du noch wissen: In diesen letzten Tagen werden schlimme Zeiten auf uns zukommen. 2 Die Menschen werden nur sich selbst und ihr Geld lieben. Sie werden überheblich und anmaßend sein, Gott verlästern und sich weigern, auf ihre Eltern zu hören. Dank und Ehrfurcht kennen sie nicht. 3 Sie lassen andere im Stich, sind unversöhnlich und verleumden ihre Mitmenschen. Ihr Leben ist ohne Hemmungen, brutal und rücksichtslos. Sie hassen alles Gute, 4 Verräter sind sie, die sich nicht beherrschen können und nur sich selbst für wichtig halten. Nichts als ihr Vergnügen haben sie im Kopf, und Gott ist ihnen völlig gleichgültig. 5 Nach außen tun sie zwar fromm, aber von der Kraft des wirklichen Glaubens wissen sie nichts. Hüte dich vor solchen Menschen!
6 Einige von ihnen legen es darauf an, von den Leuten ins Haus gelassen zu werden, und versuchen dort vor allem gewisse Frauen auf ihre Seite zu ziehen. Diese Frauen sind mit Sünden beladen und werden von allen möglichen Leidenschaften getrieben, 7 sie wollen jederzeit etwas Neues hören, sind aber unfähig, die Wahrheit zu erkennen.
8 So wie die ägyptischen Zauberer Jannes und Jambres sich Mose entgegenstellten, so widersetzen sich diese falschen Lehrer der Wahrheit. Ihre Ansichten sind verdreht und wirr, ihr Glaube hält keiner Prüfung stand. 9 Auf die Dauer werden sie aber ihr Unwesen nicht treiben können. Mit der Zeit wird jeder durchschauen, dass sie ohne Sinn und Verstand sind. Genauso ist es den beiden ägyptischen Zauberern ergangen.
Zunächst wollen wir uns die Zeit nehmen und versuchen den Text einzuordnen. Am offensichtlichsten ist, dass die Verse aus einem Brief an Timotheus stammen, der als engster Vertrauter und Schüler des Paulus zählte. T. war oft im Auftrag Paulus oder stellvertretend für ihn unterwegs und brachte das Evangelium in die noch jungen Gemeinden. So können wir ihn gut und gerne als Evangelisten bezeichnen, der seinen Auftrag durch Weissagung bekommen hat und diesen durch vielerlei Gaben, die er durch den Heiligen Geist bekommen hatte, in Angriff nahm. In so mancher Gemeinde wurde es ihm nicht besonders leicht gemacht, doch mit Hilfe seines Lehrers und Vertrauten, ging er auch schwierige Missionen an.
T. war oft mit Paulus unterwegs und seine geistliche “Erziehung”, wenn man das so bezeichnen möchte, verdankte er diesem.
In diesem Kontext müssen wir also den Predigttext verstehen, denn er ist vor allem als Lehrtext für T. gedacht. Der 2. Timotheusbrief, wie auch der 1. Tim. und der Titusbrief gelten als Pastoralbriefe und sind daher unter der gleichen Prämisse zu sehen.
Die persönlichen Worte Paulus wirken deshalb auch wenig Ermutigend oder Hoffnung stiftend. Denn es geht Paulus darum, dass T. die Entwicklung hier auf der Erde erkennt und versteht. Dahinter verbirgt sich ein größerer Zusammenhang, der mitnichten zum Widerspruch der Heilslehre Jesu wird, sondern diese betont.
Paulus beschreibt zunächst die Symptome einer verlorenen Welt. Es geht hier nicht um die Ursache, diese setzt Paulus offenbar voraus und erklärt sie daher nicht weiter.
Er beschreibt also ähnlich wie Johannes im letzten Buch der Bibel, einen Ausblick auf die Zeit zu der Jesus wiederkehrt, aber eher aus Sicht der Menschen und der Zustände, die durch sie geschaffen wurden. So mancher bezieht sich dann auch gerne auf die gerade vorherrschenden Sitten und Gebräuche, die er selbst erlebt und meint dann auch, dass die Endzeit schon eingetreten wäre.
Mit Sicherheit kann das aktuell keiner verneinen, erst wenn genügend Zeit vergangen ist, lässt sich ein zaghafter Widerspruch vernehmen.
Ich für meinen Teil wäre mit solcher Bewertung vorsichtig. Aus der Geschichte, nicht erst die selbst erlebte, kennen wir genügend Beispiele für vermeintliche sichere Anzeichen. Warum halte ich solch eine Einschätzung für unnötig, sogar gefährlich. Zum einen ist es ja nicht an uns, darüber zu entscheiden, wann Jesus wiederkommen wird. Er selbst hat gesagt, das der Zeitpunkt von Gott festgelegt ist und er wie der Dieb in der Nacht kommen wird. Zum anderen leben wir nicht in der Erwartung auf die Endzeit, sondern in der Hoffnung auf Gottes neue Welt. Daraus folgt eine Hoffnung die von Gewissheit lebt, die sich nicht auf schreckliche Zustände fokussiert, sondern gegründet ist auf der Zusage Jesu, dass es Rettung für jeden gibt, der sich IHM zuwendet.
Unsere Gedanken sind also nicht darauf ausgerichtet, zu erkennen was unausweichlich ist und was in Gottes Plan weit vor unserer Zeit beschlossen wurde. Sie kreisen vielmehr um unsere Aufgabe, die Gute Nachricht allen weiter zu sagen, ob sie nun Teil der verfallenden Welt sind oder nicht. Ein Blick zu weit in die apokalyptische Zeit würde uns vielmehr daran hindern andere zu sehen, weil wir zu sehr mit uns und unserem Schicksal beschäftigt wären. Das ist doch völlig unnötig, da wir doch unser Schicksal kennen und mit Vertrauen auch angenommen haben, oder ist da doch noch ein Rest des Zweifelns? Oder dienen uns diese Beschreibungen allzugut, um unverhohlen zu drohen? Gott bewahre uns davor!
Warum aber schreibt Paulus dann überhaupt darüber?
Warum widmet Johannes ein ganzes Buch dazu?
Diese Fragen lassen sich mit einer Gegenfrage beantworten und die heißt: Warum lesen wir so viel über das Scheitern der Menschen und Gottes Geschichte mit den Menschen in der Bibel?
Ich weiss gar nicht wie oft wir schon darüber nachgedacht haben, wie vielfältig, mehrdeutig und tiefsinnig die Bibel ist. Das in allen Aspekten zu beleuchten wäre im Rahmen einer Predigt unmöglich. Daher beleuchten wir ja auch nur Ausschnitte.
Dennoch. Ist die Bibel nicht mehr als ein Geschichtsbuch, oder ein Roman, der von Gott und seiner Schöpfung handelt, auch mehr als ein Ratgeber und Lexikon?
Wer auf der Suche nach dem Anfang und dem Ende von allem ist, der wird in der Bibel fündig. Auch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, seiner persönlichen Bestimmung, wird jeder, wenn er es will, in der Bibel fündig. Und deshalb finden wir in der Bibel nicht nur die Geschichte unserer Herkunft, sondern auch was mit uns passiert.
So gesehen spielt Gott mit offenen Karten.
Tun wir das auch?
Paulus beschreibt diese Zustände, damit sich niemand erschrickt, auch damit wir wissen, dass dies so geschehen wird, weil es geschehen muss. Es ist also eine Mahnung zur Wachsamkeit, aber auch Trost und Frieden stiftende Botschaft.
Gerade letzteres sollten wir mit Demut und Weisheit beachten. Denn gemeint ist hier die Einsicht, dass wir Berufene sind, nicht anzuklagen oder zu richten, sondern zu vermitteln, zu helfen, auf den richtigen Weg zurück. Denn die, die nicht das Glück hatten von Gott die Augen geöffnet zu bekommen, brauchen uns, um aus dem Dilemma und den Widersprüchen ihres Lebens heraus zu finden. Und wenn sonst keiner mehr mit ihnen redet, so sind wir gefragt, auch wenn das für uns bedeutet aus der Komfortzone unseres beschaulichen Lebens heraus zu gehen.
Die Rolle der Erretteten ist daher alles andere als passiv, sie ist schon deshalb aktiv, weil sich die Botschaft Jesu nicht von selbst verbreitet. Doch es gibt Einschränkungen, dazu aber später mehr.
Jedenfalls scheint das was Paulus beschreibt, wie eine Bestandsaufnahme unserer Wirklichkeit. Haben wir also schon das Ende der Zeit erreicht?
Manche meinen das. Andererseits gibt es noch immer Menschen, die sich eben nicht nur um sich selbst kümmern und denen der Nächste noch etwas bedeutet, selbst auf die Gefahr hin, dass sie selbst einen Nachteil einheimsen.
Ist das aus der Zeit gefallen?
Vielleicht überholt?
Ich denke, dass die Zielsetzung einfach eine andere ist. Während die einen auf den eigenen Profit aus sind und alles dafür tun, um ihren materiellen Status zu verbessern oder Macht anzuhäufen, sind die anderen auf ein Gleichgewicht aus, das in der Summe sie selbst aber auch ihre Nächsten im Blick behält. Diese beiden Ansätze sind nicht nur kontrovers, sie sind wie Feuer und Wasser, sie schließen sich gegenseitig regelrecht aus. Interessanterweise funktioniert auch eine Mischform hier nicht, da gibt es nur das Eine oder das Andere.
Nun nennt Paulus explizit auch die Frommen. Und hier wird es unbequem, denn es geht bei den Einen nicht ausschließlich um Menschen, die nie in die Kirche gehen und dafür auch kein Interesse zeigen. Im Gegenteil, Paulus nennt ausdrücklich Menschen, die ganz selbstverständlich sich als gute Christen bezeichnen, die auch regelmäßig an den Veranstaltungen teilnehmen und denen man von außen auch gar nicht anmerkt, in welche Richtung ihr Herz schlägt.
Gerade wenn es um Macht geht, es sind also nicht die materiellen Dinge die solche begehren, sind auch Menschen nicht frei von Verirrungen, die sich ansonsten durchaus als Jünger Jesu sehen.
Aber wie passt das zusammen?
Ich denke, es wäre ein fataler Irrtum, wenn wir meinten schon perfekt zu sein, weil wir uns Christen nennen. Es ist kein Schwarz-Weiß, sondern ein Prozess, der ein Leben lang andauert.
Die Frage die ich mir jeden Tag stelle ist, ob mein Herz für Jesus schlägt. Welche Attribute ich mir auch immer ausdenken möchte, das entscheidende ist, ob mein Herz für Jesus schlägt. Das dann ein anderer daraus etwas ableiten möchte, muss nicht heißen, dass dies zu meinem Verhältnis zu Jesus dazu gehört.
Es gibt (leider) in unserem Leben unzählige Stolperfallen, die nur ein Ziel kennen, uns zu Fall zu bringen. Um dies zu vermeiden müssen wir Wachsam sein und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Denn nicht jeder meint es gut mit uns und denen ist es nicht auf die Stirn geschrieben. So beschreibt es auch Paulus; sie schmeicheln sich in unser Leben und suchen doch nur nach ihrem Vorteil. Sie verführen uns es ihnen gleich zu tun und wollen uns nur von unserem Weg abbringen. Von solchen, so Paulus, sollen wir uns fern halten. Diese zu erkennen gelingt uns wenn wir auf ihre Werke achten.
Dabei stehen wir uns leider oft genug selbst im Wege, denn wir denken in Schubladen und Vorurteilen.
Den anderen kennen zu lernen ist daher die erste Aufgabe, die wir haben. Das ist tatsächlich deutlich schwieriger, als jemanden einfach in eine Schublade zu stecken, besonders dann, wenn wir danach noch mehr glänzen könnten.
Schnell, viel zu schnell, wird uns unser Vorurteil zur Last, verhindert ein “Aufeinanderzugehen” und das verbindende Gefüge, das zur bahnbrechenden Kraft werden kann.
Und dennoch; sind wir nicht wie Wartende in einer Bahnhofshalle?
Keiner weiss so genau in welchen Zug die anderen Wartenden einsteigen werden. Alles was man zunächst gemeinsam hat, ist das warten. Manchmal kommt man ins Gespräch, manchmal wollen die Fahrgäste aber auch nur ihre Ruhe haben. Schon etwas öfters laufen wieder andere suchend umher und blicken sich wiederum Hilfe suchend um. Die nächsten sind eigentlich nicht da und tun auffällig unbeteiligt oder auch sehr geschäftigt. Hantieren auf ihren mobilen Endgeräten herum oder telefonieren am laufenden Band ohne auch nur einen vernünftigen Satz von sich zu geben.
Jeder der mit uns wartet, hat seine ganz eigene Strategie mit der verbleibenden Zeit umzugehen.
Wenn wir die Menschen bei ihrem Tun oder auch Nichtstun beobachten, kommt es uns dann manchmal in den Sinn, sie in Kategorien einzuteilen; ihnen Attribute zuzuordnen? Z.B. “der ist aufgeregt, nervös” oder “laut, extrovertiert”, “verschlossen” oder auch “ängstlich”. Dieses Bild, das aus unserer Beobachtung des Menschen zu einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Situation entstanden ist, wird bestehen bleiben, bis wir es durch “kennenlernen” revidieren oder konkretisieren können. Das ist oft auf einem Bahnhof, in einer Wartehalle schwer möglich. Oft sind die Kontakte nur flüchtig, zu oberflächlich und auch gar nicht ernst gemeint. Es geht eher um “Smalltalk”, als um tiefgründige “Kennenlerngespräche”. Aber tun wir uns einen Gefallen damit? Pflegen und fördern wir so nicht Vorurteile und Klischees?
Schnell, viel zu schnell, wird uns dann unser Vorurteil zur Last, verhindert ein “Kennenlernen” und die verbindende Einsicht, dass wir dann doch alle nur Wartende sind, um unsere Vorurteile zu überwinden und gemeinsam in den Zug einzusteigen, der uns nach Hause bringt.
Alle, die sich vom Geist Gottes führen lassen, die sind Gottes Söhne und Töchter. Der Geist, den Gott euch gegeben hat, ist ja nicht ein Sklavengeist, sodass ihr wie früher in Angst leben müsstet. Es ist der Geist, den ihr als seine Söhne und Töchter habt. Von diesem Geist erfüllt rufen wir zu Gott: »Abba! Vater!« Röm. 8, 14-15
Dies ist ein wunderbarer Vers, denn er lässt bei uns die Hoffnung wachsen, dass wir Gottes Kinder heißen dürfen, wenn wir uns von SEINEM Geist führen lassen. Das kann auch die Entscheidung sein, in welchen Zug ich einsteige.
Es gab und gibt immer wieder Menschen, die glauben die Wahrheit erkannt zu haben, doch fischen sie im Trüben, denn Gott hat sich ihnen nicht offenbart.
Interessant finde ich, dass Paulus die beiden ägyptischen Zauberer Jannes und Jambres erwähnt, denn namentlich ist das hier die einzige Stelle in der Bibel, wo sie so genannt werden. Daher kann man nur mutmaßen, weil Paulus auch selbst den Bezug zu Moses herstellt, dass es sich dabei um die beiden Zauberer handeln muss, die verhindern wollten, dass Moses mit Gottes Volk durch das Meer geht, sie trieben einen Keil zwischen Moses und Israel und sie waren die eigentlichen Urheber des Goldenen Kalbes.
Dennoch obsiegte schließlich Moses und die Zauberer unterlagen. Diese Geschichte bekommt eine weitere Dimension, wenn man sich die Namen genauer anschaut. Was allerdings recht schwierig ist. Dennoch gibt es ein paar glaubwürdige Hinweise und verdichten das Bild dieser Geschichte.
Jannes ist wohl die Kurzform Johannan und deutet auf das talmuthebräische “jannah” hin, was “unterdrücken” bedeutet. Jambres ist die griechische Form von Jamre und bedeutet “Der Widersetzliche”. Somit haben wir es nicht einfach mit Namen zu tun, sondern einer Kraft die gegen Gottes Werk gerichtet ist. Und dies ist die selbe Kraft, die die Menschen beeinflusst, sodass sie sich zu den Dingen hinreißen lassen, die Paulus am Anfang unseres Textes beschreibt.
Wenn dem so ist, dann wissen wir aber auch, und Paulus unterstreicht das in Vers 9, dass sich die Wahrheit durchsetzen wird, dass die Lüge keinen Bestand hat und schlussendlich als solche erkannt werden wird.
Dieses wird umso deutlicher und umso schneller geschehen, wenn sich Menschen vom Heiligen Geist führen lassen. Das was Paulus also in Römer 8, 14+15 schreibt, ist die Antwort auf unseren Predigttext.
Ich wünsche mir, dass wir dieses als pastorale Lehre verstehen und es uns hilft, wenn wir wieder einmal über die Welt verwundert den Kopf schütteln.
Ich wünsche mir auch, dass wir die Botschaft daraus immer wieder neu beherzigen und verstehen, dass wir mit Hilfe des Heiligen Geistes Unterdrückung und Widerstand gegen Gott überwinden können.
Ich wünsche mir, dass wir eine echte persönliche Beziehung zu Jesus finden, die uns vor Vorurteile und Hochmut bewahrt und uns immer wieder neu die Dankbarkeit und Demut finden läßt, die aus dem unglaublichen Geschenk unserer Rettung geboren wurde.
Amen