Eine universale Gelegenheit

>Alle Menschen, die mir der Vater gibt, werden zu mir kommen, und keinen von ihnen werde ich zurückstoßen. Johannes 6:37 (HOF)

Nach zwei Jahren Pandemie, einer Zeit der Spaltung und des Auseinanderfliehens schenk Gott uns ein Zeichen der Hoffnung, der Gewissheit, aber ER schenkt uns auch eine Chance, eine Gelegenheit.

Die Jahreslosung für das neue Jahr eignet sich hervorragend, um nicht mit guten Vorsätzen in das Jahr zu starten, sondern mit einer riesigen Portion an Zuversicht und einer unglaublichen Zusage!

Es stellt sich hier aber die Frage: "wie bekomme ich den individualisierten, selbstbestimmten und aufgeklärten Menschen von heute dazu, auch nur über diesen Satz nachzudenken?"

In allererster Linie gibt Jesus ein Versprechen, das den angesprochenen Menschen nicht unterscheidet. Selbst in den heutigen vornehmlich diskriminierungsfreien Stellenangeboten unserer Zeit, wird ein mehr oder weniger konkretes Bild des gewünschten Bewerbers gezeichnet. Jesus schränkt das gar nicht erst ein, ER spricht Jeden an. Und auch das ist etwas das sich pauschalisieren, in Kategorien pressen oder in irgendeiner Weise beschreiben ließe, weil es zu den persönlichsten Dingen in unserem Leben gehört. Die einzige Einschränkung ist im zweiten Nebensatz getroffen, denn da steht: "die mir der Vater gibt"

Akzeptanz von Gott

Dies mag tatsächlich auf den ersten Augenblick verwirren und enttäuschen. Denn heißt das dann, dass nicht alle Menschen zu Jesus kommen, selbst wenn sie wöllten? Entscheidet dann doch das Buch des Lebens darüber, weil unsere Namen darin stehen oder eben auch nicht, ob wir einst in die neue Stadt einziehen dürfen?

Das hat dann doch so etwas wie "Sinnlosigkeit" im Beigeschmack, weil es ja bedeuten würde, dass es gar nicht von unserer Entscheidung, unserer Zuwendung zu Jesus abhängen würde, sondern davon, ob wir vor Anbeginn der Zeit in das Buch des Lebens aufgenommen wurden.

Ist dann all unser Bemühen vergeblich?

Ich meine, dass Gott das Henne-Ei-Problem mit einem Augenzwinkern und verschmitzten Lächeln lösen kann, denn ER hat Henne und Ei geschaffen. Da müssen wir mal kurz drüber nachdenken, oder?

Ich möchte es etwas eingrenzen.

Stehen unsere Namen im Buch des Lebens, weil ein Glücksrad sie ausgewählt hat?

Oder haben wir dieses durch unser Leben, unsere Taten begründet?

Das kann ja eigentlich nicht sein, weil ja unsere Namen schon in dem Buch standen, bevor wir überhaupt geboren wurden!

Das meine ich mit Henne-Ei-Problem.

Was war denn nun eher, das Buch des Lebens oder unser Leben mit unseren Taten und unseren Entscheidungen?

Nochmal.

Wenn Gott das Henne-Ei-Problem gelöst hat, weil ER beides geschaffen hat, dann folgt doch daraus, dass ER auch das Problem mit dem Buch des Lebens und unserem Leben gelöst haben muss. Das ganze verstehen wir allerdings nur deshalb nicht, weil wir zum einen, nicht im Ansatz Gottes Weisheit haben, aber zum anderen so furchtbar linear denken. Für uns ist Zeit starr und eine Sekunde folgt auf die vorige und das schon seit Millionen von Jahren.

Diese Frage können wir also nicht einfach so beantworten, deshalb muss wohl auch Luther zu dem Schluss gekommen sein, dass, wenn wir aus unserer Sicht ratlos sind, der Schlüssel womöglich bei Gott liegt!

>Der Schlüssel liegt bei Gott!

Die beiden Lehrsätze der Rechtfertigungslehre Luthers deuten dies an. So obliegt es dem Menschen zu glauben und Gott gibt seine Gnade dazu.

"Sola Fide" und "Sola Gratia"

Diese beiden schließen die Tür auf und überwinden all die Zweifel, die wir bis dahin hatten. So wird aus der Sinnlosigkeit - Gewissheit, und aus Resignation - Zuversicht. Denn Gott hat einen Plan und Jesus ist Teil dieses Plans. Aus dem Kontext heraus verstehen wir es vielleicht besser:

>Johannes 6:36-38 (GNB) Aber ich habe es euch bereits gesagt: Obwohl ihr meine Taten gesehen habt, schenkt ihr mir keinen Glauben. 37 Alle, die mein Vater mir gibt, werden zu mir kommen, und niemand, der zu mir kommt, wird von mir abgewiesen. 38 Ich bin vom Himmel gekommen, nicht um zu tun, was ich will, sondern um zu tun, was der will, der mich gesandt hat.

Die Jünger, die Jesus hier scharf anspricht, sind voller Zweifel. Aber gerade deshalb können wir uns gut in sie hineinversetzen, denn auch wir kennen Zweifel und das Gefühl, dass irgendwie alles sinnlos ist, sind resigniert, frustriert, am Boden zerstört. Selbst Jesus ist eine gewisse Verzweiflung anzumerken, weil seine Schüler, denn das waren sie ja, einfach nichts kapieren wollten. Jesus aber, gibt nicht auf. ER betont, nicht nur an dieser Stelle, dass es gerade nicht nach ihm geht, sondern er einen Auftrag hat, den er erfüllen wird. Daran, lässt er wiederum keinen Zweifel!

>Jesus, hat einen Auftrag, den er erfüllen wird. Daran gibt es keinen Zweifel.

Versprechen

In unserem Vers, der Jahreslosung, lesen wir auch welche Konsequenzen das hat. Denn man könnte es ja durchaus auch anders lesen, so dass Jesus darüber entscheidet, wen er aufnimmt und wen nicht. Ich erinnere mich gerade an meine letzte Predigt, in der berief Jesus ja die vier Jünger: Simon, Andreas, Jakobus und Johannes. Das war dann wohl alles andere als Zufall, zeigt aber sehr schön, wie Gott Menschen zu Jesus bringt (s.i.c.). Die Frage, die sich die vier damals stellen mussten, kennen wir auch. Es ging ja nicht nur, darum mal mit in den Club zu gehen, abzutanzen oder ein Eis beim Dealer um die Ecke zu schlürfen.

Die Entscheidung, die auf diese Gelegenheit folgte, war/ist so universal, das sie das ganze Leben der vier auf den Kopf stellte. Na von der Familie ganz zu schweigen, denn auf einen Schlag fehlten fortan wichtige Arbeitskräfte und die Kinder. Ich glaube dabei nicht, dass die vier es sich besonders leicht gemacht haben, aber sie haben die Bedeutung dieser Chance erkannt und so war es ihnen ein Leichtes sich dafür zu entscheiden.

Das Versprechen, das mit dieser Entscheidung zusammen hängt, ist ein wichtiger Teil unserer Jahreslosung:

>"... und keinen von ihnen werde ich zurückstoßen."

Jesus übernimmt von nun an die Rolle der Familie für die vier. Ich stelle mir das so vor, dass in der Familie natürlich die Väter das sagen hatten. Sie geben die Richtung vor, geben dem Alltag aber auch Struktur und füllen ihn aus. Wir lesen ja in Matth. 4, 18-22, dass die Brüder gerade bei der Arbeit waren, die einen warfen die Netze aus, die anderen bereiteten die Netze für die nächste Fahrt vor. Es waren wohl auch keine Taugenichtse, die ihre Zeit mit Müßiggang vertrieben.

Heutzutage ist das alles nichts besonderes mehr, denn die Kinder gehen irgendwann zum Studium oder machen eine Berufsausbildung, andere Dinge werden wichtig in ihrem Leben. Auch die Jünger begannen, wenn man so will, eine Ausbildung, denn Jesus war ein Rabi, das heißt Lehrer. Er lehrte sie die Gesetze und die Regeln ihrer Religion, doch anders als das bei anderen Rabbinern gewesen wäre, lehrte er sie das Evangelium. Spätestens hier wird klar, das Jesus ein besonderer Lehrer für die vier war.

Wußten sie davon, als er sie berief?

Das wäre unwahrscheinlich, denn Jesus war ja noch nicht so bekannt wie später. Auch das Jesus sich das eine und andere mal über seine Schüler beschwerte, dass sie so wenig von dem verstehen würden, was er ihnen versuchte beizubringen, untermauert ihre Naivität. Das ist durchaus wohlwollend gemeint, denn jeder der an einem neuen Lebensabschnitt steht, Schule, Berufsschule oder Studium, eine neue Arbeit usw. ist zunächst "naiv" und braucht eine gewisse Zeit, um sich einzuleben. Das kennen wir durchaus auch aus unseren Anfängen als junge Christen. Dieses soll uns aber heute nicht beschäftigen und es dient hier nur als Beispiel, um der Gefühlslage der Jünger näher zu kommen.

Und auch, wenn es für Jesus schwer war, vielleicht auch, weil die Zeit drängte und er wußte, dass ewig viele Nachhilfestunden nicht möglich sein würden, ER versuchte alle bei der Stange zu halten und sie bis zum Ende alles zu lehren, was sie für später brauchen würden. Vergleicht man das mit den heutigen Verhältnissen in unserem Bildungssystem, hatte Jesus eine traumhafte Absolventenquote von 100%.

Upps, ja eigentlich gab es einen Durchfaller und das war Judas, aber dafür hat er einen Neuen Schüler in Rekordzeit ausgebildet und zum Apostel berufen.

Ich habe leider nicht die genauen Zahlen, aber wenn ich mich nicht irre, verlieren wir in unserer Fakultät mindestens ein Drittel der Anfänger. Das heißt, jeder der bei uns ein Studium anfängt hat eine maximale Chance von ca. 67% das Ziel zu erreichen.

Jesus versprach zwar nichts, dennoch haben es alle geschafft, bis auf den einen, naja. Die Entscheidung darüber traf allerdings Judas und nicht Jesus. Wenn dich also Gott ruft, so wird Jesus alles tun, um dich zu unterweisen, dich zu lehren, was du brauchst, um das Ziel zu erreichen.

>Jesus wird alles tun, um dich zu lehren und dich zu unterweisen, damit du das Ziel erreichst. Das ist ein Versprechen.

Gewissheit

Woher können wir aber die Gewissheit nehmen, dass Jesus uns lehren kann?

Wie können wir uns sicher sein, dass wir alles verstehen, worin uns Jesus unterweisen will?

Vielleicht hat er es irgendwann satt und schmeißt uns aus der "Klasse"?

In einem Querverweis schreibt Paulus:

>Ich bin ganz sicher, dass nichts uns von seiner Liebe trennen kann: weder Tod noch Leben, weder Engel noch Dämonen noch andere gottfeindlichen Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, Römer 8:38 (GNB)

Paulus verweist hier auf eine Gewissheit, die gar nichts mit Verstehen oder „Auswendigaufsagen“ zu tun hat. Hier wird es plötzlich persönlich, es geht um "Liebe"! Weil Gott uns liebt, schickt ER Jesus als Lehrer und später als Retter. Das bedeutet ja auch, dass die Jünger nicht wirklich unvorbereitet Ostern erleben mussten, nur war es ihnen damals noch nicht klar und es brauchte noch einige Jahre bis sie verstanden. Und mal zugegeben, wer von uns kommt aus der Schule und kann das alles, von dem er im Unterricht gehört hat? Dauert es nicht manchmal Jahrzehnte bis der Groschen fällt?

Die Gewissheit, dass wir bei Jesus eine Zukunft finden, können wir aus dem Vers 38 ableiten, denn auch wenn Jesus vielleicht "menschlich" entscheiden würde, so steht Gottes Liebe für uns ein, auch wenn wir es immer und immer wieder nicht begreifen. Manchmal dauert das ein Leben lang. Aber wennschon - was ist eine Lebensspanne gegen die Ewigkeit und ich möchte nochmal einen kurzen Seitenblick auf das Henne-Ei-Problem wagen. Um das zu verstehen denken wir einfach zu linear ;O)

(universelle) Gelegenheit

Dabei ist das, was uns die Jahreslosung für das Jahr 2022 verkündet mehr als nur ein Versprechen und Gewissheit. Es zeigt eine Gelegenheit auf, die wiederum alle Menschen haben, egal woher sie kommen, welche Geschichte sie mit sich herum schleppen oder welche Meinung sie gerade haben. Die Frage die sich in diesem Zusammenhang stellt ist nur eine:

>Bist du bereit?

Als die Jünger sich Jesus anschlossen haben sie nicht gezögert, ER hat sie allerdings auch unzweifelhaft aufgefordert ihm zu folgen. Heute lehren wir unseren Kindern nicht mit Fremden mitzugehen und sich auch nicht von Fremden ansprechen zu lassen. Von daher hätte Jesus es wohl schwer Jünger zu finden. Auch leben wir in einer sehr misstrauischen Welt, einfach alles stehen und liegen zu lassen, weil da irgend so ein Fremder sagt: "folge mir nach", würde eher dafür sorgen zu vermuten, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Haben wir also gar keine Möglichkeit mehr zu Jesus zu finden?

Im ersten Teil unserer Jahreslosung lesen wir:

>"Alle Menschen, die mir der Vater gibt, werden zu mir kommen ..."

Hier liegt einerseits eine Bestimmtheit darin und andererseits offenbart es eine Neuerung, die uns auf den ersten Blick nicht auffällt, weil wir uns so daran gewöhnt haben.

Die Bestimmtheit, mit der Jesus sagt, dass die Menschen zu ihm kommen werden, hat etwas mit dem Neuen Bund zu tun, den Gott durch Jesus mit den Menschen schließen wird. Das dies geschehen wird steht fest. Daher gibt es für Jesus auch keinerlei Zweifel, dass die Menschen, die Gott adressiert auch seinem Ruf folgen werden.

Ja auch hier stellt sich die Frage, ob sich die angesprochenen Menschen selbst entscheiden (so wie die Jünger Jesu: Simon, Andreas, Jakobus und Johannes) sich Gott zuzuwenden, oder ob Gott sie auf irgendeine Weise dazu bringen wird dies zu tun.

Vielleicht ist es wie bei aufmerksamen Eltern, die ihr Kind sehr genau kennen und so meist sehr gut einschätzen können, wie es entscheiden wird, wenn es die Wahl hat.

Ich glaube darauf kommt es an, dass die Wahl bleibt. Denn es mag zunächst wie ein Henne-Ei-Problem aussehen, ist es aber bei näherer Betrachtung nicht. Was wir oft unterschätzen, ist die Tatsache, dass Gott uns manchmal besser kennt, als wir selbst. So wie aufmerksame Eltern ihre Kinder kennen.

Dabei geht es also gar nicht um ein Aussortieren, um ein: "du darfst zu mir kommen und du nicht", ich denke es ist eher die manchmal traurige Tatsache, dass Gott uns so genau kennt, so dass ER eben weiss wie wir uns entscheiden werden.

ABER. Hier gibt es ein sehr sehr großes ABER und darauf hofft Gott, denn wir Menschen können uns ganz gegen unsere Natur für etwas entscheiden, dass wir zuvor ausgeschlossen hatten. Zumindest die meisten von uns. So ist nicht auszuschließen, dass selbst der größte Atheist doch noch umkehrt und zu Gott findet. Alles was es dazu braucht ist eine Gelegenheit und solche Gelegenheiten bereitet Gott für jeden Menschen vor. Es obliegt dann natürlich jedem Einzelnen diese zu nutzen. Dennoch ist diese Entscheidung, so günstig die Gelegenheit auch erscheinen mag, für manchen sehr schwer zu fällen. Sie fordert uns als Menschen heraus, denn es bedeutet ja was, wenn ich es ernst nehme.

>Gott bereitet jedem Menschen eine Gelegenheit zu ihm zu finden.

Ich sprach vorhin von einer universalen Gelegenheit. Das möchte ich am Schluss noch ein wenig beleuchten, denn dies hat Konsequenzen für die Frage, woran man den so eine Gelegenheit erkennen könnte.

Ich denke, damit sind Gelegenheiten gemeint, die sich nicht pauschalisieren lassen, auch kann man sie nicht vorher sagen oder durch bestimmte Attribute beschreiben. Alles was sich sagen lässt ist, das sie sehr persönlich sein müssen, auf die Situation und den Mensch zugeschnitten, denn sie soll ihn ja ansprechen. Manchmal ist das alles andere als romantisch, sie wie: "ich lief in der Nacht durch den Wald, plötzlich erstrahlte ein Licht und eine Stimme sagte zu mir: 'folge mir nach'", manchmal knallt es in unser Leben und wir haben gerade überhaupt keinen Nerv oder die Zeit uns auch darum noch zu kümmern :( Manchmal erwischt es uns in einer Situation, in der wir am allerwenigsten damit gerechnet hätten. Manchmal geht es in kleinen Schritten, leise und behutsam, auch über viele Jahre hinweg und manchmal mit einem Krachen und Sturm, der uns umhaut.

Wie gesagt, das lässt sich eben pauschal nicht beschreiben. Aber, da bin ich mir sicher, jeder wird es wissen, wenn es soweit ist.

Amen

Zusätze
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